Gärten
Gärten beschäftigen uns seit unserer Studienzeit – sei es in Form von theoretischen Arbeiten oder bei gebauten Projekten. Am Anfang der Auseinandersetzung stand die Vermessung und Beschreibung des manieristischen Gartens in Bomarzo nördlich von Rom, später folgte eine Studienreise nach England, während der wir dem Begriff des Malerischen – dem Picturesque – nachgingen, der eng mit dem englischen Landschaftsgarten und der Landschaftsmalerei verknüpft ist. Unser erstes gebautes Projekt war schliesslich das Haus für einen Gärtner. Gärten faszinieren uns als ideelle Konzepte, als Vorstellungskategorie und als gebaute Räume.
Unser Interesse für Gärten liegt nicht zuletzt in ihrer Ähnlichkeit mit der Architektur begründet. Gärten beziehen sich wie auch Gebäude auf einen spezifischen Ort für den sie eigens entworfen und komponiert werden. Sie schaffen einen eigenen Erfahrungs- und Ereignisraum. Gleichzeitig nimmt ein Garten nie ausschliesslich nur auf seine unmittelbare Umgebung Bezug, sondern zugleich auch auf einen grösseren, kulturellen Kontext und eine umfassendere Geschichte der Ideen. Damit eröffnet der Garten wie jede Kunstform immer etwas Neues, das sichtbar macht, was normalerweise verborgen bleibt. Im Unterschied zur Architektur sind die im Garten verwendeten Materialien allerdings lebendig: sie keimen, wachsen, blühen und vergehen. Ihre bestimmende Eigenschaft ist die stete Veränderung. Das macht ihren Einsatz als «Baumaterial» besonders komplex, denn der Entwurf eines Gartens schliesst die Zeit mit ein. Die jahreszeitlichen Veränderungsprozesse sind Teil der Gestaltung.
Gärten und Häuser
In unseren Entwürfen interessiert uns das Verhältnis von Architektur und Garten in hohem Mass. Idealerweise verklammern sich Architektur und Garten sogar zu einer untrennbaren Einheit und bedingen sich gegenseitig. Dabei ist es nicht nur so, dass die Architektur für das Dauerhafte steht und der Garten für das Vergängliche. Die Architektur kann auch Strukturmerkmale des Gartens übernehmen. Im Fall unseres Wohnhauses an der Steinwiesstrasse in Zürich werden Volumen und Grundriss von malerischen Kompositionsprinzipien bestimmt und eine glänzende Keramikfassade imitiert das Blätterkleid der Bäume, wodurch eine enge Verbindung zwischen Bauwerk und Garten geschaffen wird. Für das Wohnhaus Avellana wurden ebenfalls strukturelle Eigenschaften des Gartens auf die Architektur übertragen. Hier sind es jedoch die Charakteristika des spontan Gewachsenen, Zufälligen und Nichtgestalteten, die sich in der Komposition des Volumens, der Fenstersetzungen und der Farbigkeit der Fassade äussern.
Umgekehrt kann auch der Garten nach architektonischen Gesetzmässigkeiten gestaltet werden. In der Zürcher Wohnüberbauung Guggach gliedern polygonale Wasserbecken den Innenhof des Projekts. Die Reflexion des Himmels setzt sich auf der gefalteten Glasfassade fort, wodurch ein gefasster, urbaner Raum entsteht.
In der Wohnsiedlung Brüggliäcker wurde das Motiv der Gartenlaube aufgegriffen, das jede Wohnung um einen grosszügigen Aussenraum erweitert. Die Laube verankert das Haus sinnbildlich in die Gartenstadt Zürich-Schwamendingen. Auch die Projekte im Schwamendinger Dreieck, an der Obsthalde und jene am Katzenbach führen die Tradition der Zürcher Gartenstadt fort. Der hohe Stellenwert des Aussenraums wird in der genossenschaftlichen Wohnsiedlung an der Toblerstrasse ansichtig, in der ein räumliches Gleichgewicht zwischen Baukörper und Gartenkabinett angestrebt wird.
Beim Wohn- und Geschäftshaus Speich Areal in Zürich-Wipkingen ist es die städtische Flusslandschaft der Limmat, die am Gebäude in einen vertikalen Garten übergeht und seinen Abschluss mit der Bepflanzung der Dachterrassen findet. Eine Villa an der Signaustrasse indessen erlangt erst über die Rekonstruktion des historischen Architekturgartens ihre alte Bedeutung wieder. Die Übersetzung des gewachsenen Gartens in einen steinernen Garten gelingt im städtischen Wohn- und Gewerbehaus Glattpark, wo Architekturfragmente den Hofraum prägen. Das Paradies als immerwährende Utopie und Fluchtpunkt unserer Gegenwart thematisieren die drei Sockelreliefs des Künstlers Christian Hörler in der Wohnsiedlung Am Katzenbach.
Der Garten als Illusionsraum
In unseren Projekten ist der Garten ein wiederkehrendes Motiv: als entwerferischer Resonanzraum, als Sehnsuchtsort oder als motivisches Mittel. Die Möglichkeit, in der Architektur Galerie Berlin auszustellen, sehen wir als Chance für ein eigenständiges und neues Projekt, das nicht die Architektur sondern den Garten ins Zentrum stellt. Die Galerie wird für die Dauer der Ausstellung in einen lebendigen Garten verwandelt: Bäume, Sträucher, Blüten, ein Teich, vermooste Steine, verwitterte Bänke, zwitschernde Vögel, Windgeräusche sowie der Geruch von feuchter Erde, Laub und morschem Holz schaffen ein einprägsames und intensives Erlebnis.
Für einmal kommt das Haus nicht in den Garten, sondern der Garten ins Haus. Diese Umkehrung rahmt den Topos des Gartens und präsentiert seinen eigenen Wert. Der Reiz liegt schliesslich auch in der Herausforderung der Umsetzung: Wie schaffen wir es, einen gewachsenen Naturraum täuschend echt nachzuahmen? Wo und wie verläuft die Grenze zwischen Illusion und Wirklichkeit?
Ausstellung
November – Dezember 2016
Architektur Galerie Berlin, Karl-Marx-Allee 96, 10243 Berlin
Ausstellungskonzeption
Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Daniel Ganz (Landschaftsarchitekt, Zürich), Markus Bühler-Rasom (Fotograf), Lukas Burkhart, Jenna Buttermann, Simon Cheung, Andrea Grolimund, Theres Hollenstein, Charlotte Nobre, Katharina Sommer
Publikation GARTEN, Park Books 2017