Zürich, 2018–2022
Direktauftrag, 2018
vacancy – no vacancy. Ein performatives Haus der Zukunft
Das englische Substantiv «vacancy» stammt vom lateinischen Verb «vacare» ab und bedeutet «unbesetzt sein» sowie «Zeit haben» und «sich widmen». Der Titel weist auf die Bewohnbarkeit des Mock-ups hin. Damit angesprochen ist auch die Möglichkeit der individuellen Aneignung durch die Bewohnerinnen und Bewohner.
Ausgangslage
Kleinwohnungen
Ein Drittel der Wohnungen in der Stadt und im Kanton Zürich werden von Singlehaushalten bewohnt, ein weiteres Drittel der Haushalte besteht aus Paaren und nur mehr ein Drittel machen Familien und andere Gemeinschaftshaushalte aus (Quellen: Kt. ZH EWR, Kt. ZH GWR, 2019). Die Mehrheit der Singlehaushalte wird von Frauen und Männern zwischen 30 bis 60 Jahren bewohnt. Diese Gruppe von Alleinwohnenden ist stark durchmischt: Studierende, multilokal Wohnende, jüngere Singles, Verwitwete sowie Geschiedene gehören gleichermassen dazu. Die Zunahme von Einzelhaushalten wird begleitet von der Individualisierung der Lebensentwürfe, die dank steigendem Wohlstand und markantem Anstieg des Bildungsniveaus seit den sechziger Jahren fortschreitet. Diese Erkenntnis verlangt nach möglichst flexiblen Kleinwohnungen und der Möglichkeit zur individuellen Aneignung, die dem Pluralismus an Lebensformen und den rasch wechselnden Bedürfnissen unterschiedlicher Bewohnerinnen und Bewohnern gerecht werden kann.
Entwurf einer neuen Wohnform
Die Idee für ein solches Wohnen baut auf der Vorstellung eines «performativen Raumes» auf, der sich individuell dem Bewohner anpasst: Ähnlich einem Kleid legt er sich um den Bewohner, lässt sich öffnen und schliessen, bietet für den leichten Hausrat unterschiedliche Nischen und Stauräume. Im Sinne dieser Performanz werden die grundlegenden Elemente der Architektur neu gedacht: Boden und Decke, Türen und Wände, Einbauten und Möbel, Fenster, strukturelle Elemente, Vorhänge, Spiegel etc. Dabei sind neben den beweglichen Elementen insbesondere zwei fassadenseitige Podeste von Bedeutung. Sie folgen der Idee eines Wohnens mit wenig Mobiliar. Hier wird der Boden zur Sitz- und Liegefläche. Die Erforschung neuartiger, unkonventioneller Wohnformen beschäftigt Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten in Praxis und Lehre. Im Rahmen von 1:1 Modellen hat die Professur Mosayebi gemeinsam mit Studierenden der ETH Zürich das architektonische Potenzial performativer Räumen ausgelotet.
Konstruktion und Materialisierung
Das Mock-up ist ein vorfabrizierter Holztafelbau aus Massivholzplatten (CLT-Platten). Diese kommen sowohl als Wand- wie auch als Deckenelemente zum Einsatz und werden im Ausbau nicht weiter verkleidet, sondern lediglich gestrichen – Trag- und Raumstruktur sind dabei eins. Der Aufbau gleicht dem eines einfachen «Kartenhauses», bei dem die Holztafeln direkt gestapelt werden. Die Horizontalaussteifung erfolgt über die Querstellung einzelner solcher Scheiben. Im Innenausbau prägen neben den Anstrichen auf Wänden und Decken farbige Linolbeläge auf Böden und Podesten den Raumeindruck.
Forschungsthemen
1. Konstruktive Umsetzbarkeit: Bewegliche Bauteile wie Schiebewände, Faltwände oder Drehtüren werden in der Architektur nicht gerne eingebaut, da sie mit einem höheren konstruktiven Aufwand verbunden und die Bauteile anfällig für Störungen sind. Das Mock-up dient dazu, solche beweglichen Elemente prototypisch zu entwickeln und konstruktiv zu verfeinern. Der Fokus liegt hierbei auf der Drehtüre und dem Drehschrank. Schliesslich dient das Mock-up dazu, Schallmessungen vorzunehmen, da für die gewählte Konstruktion mit sichtbar belassenen Massivholzplatten keine entsprechenden Werte bestehen.
2. Verhaltensstudie im Wohnen: Eine weitere Schwierigkeit wandelbarer Räume liegt im trägen Verhalten der Bewohner, das ständige Veränderungen nicht unterstützt. Neues Verhalten wird laut dem Verhaltensforscher BJ Fogg erst dann angenommen, wenn die Veränderung einfach umzusetzen ist (Ability), sie positive Emotionen hervorruft (Motivation) und mit einer Aufforderung (Prompt) belegt wird. Die Verhaltensstudien mit Testbewohnern haben das Ziel, die Veränderungsbereitschaft der Bewohner zu verstehen. Dafür werden unterschiedliche soziale Gruppen für je eine Woche im Mock-up wohnen. Drehwinkelsensoren in den beweglichen Bauteilen werden die Bewegungshäufigkeit sowie die gewählten Winkel messen. Die Testpersonen werden nach dem Aufenthalt mittels eines Questionnaires zur Wohnqualität befragt. Dieser Forschungsteil wird in Kooperation mit dem ETH Wohnforum, Dr. Marie Antoinette Glaser, bearbeitet.
Hintergrund
Grundlage des Mock-ups bildet ein Projekt der moyreal Immobilien AG an der Stampfenbachstrasse 131 in Zürich, das Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten entworfen haben. Mit dem Mock-up wird das räumliche und konstruktiv-technische Zusammenspiel der Bauteile im bewohnten Alltag prototypisch getestet. Das Mock-up ist ein Beitrag zur Forschung in der Praxis.
Folgende Sponsoren und Partner haben zum Erfolg des Projekts beigetragen:
Engel & Völkers Schweiz, Flück Holzbau AG, KLS Müller AG, moyreal immobilien ag, Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, UTO Real Estate Management AG, Verit Immobilien AG, ABB, Argolite AG, Blumer Techno Fenster AG, Böni Gebäudetechnik AG, Christian Fischbacher Co. AG, Ehrat AG, Electrolux AG, Gerflor FEAG AG, Gutknecht Elektroplanung AG, Hansgrohe, Holz Stürm AG, KEIMFARBEN AG, Miele AG, Neumarkt 17 AG, Pfister PROFESSIONAL AG, riposa AG SWISS SLEEP, Preisig AG, REPOXIT AG, Sanitas Troesch AG, Schibli Elektrotechnik AG, Sika AG, SPLEISS AG, Urech Metallbau GmbH, WB Bürgin AG, wlw Bauingenieure AG
Mitarbeit Planung und Ausführung
Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Associate: Christian Franke, Projektleitung: Michael Brotzer, Fabian Lauener, Bauleitung: Michael Brotzer, Fabian Lauener, Architekten: Nicolas Cuénod, Andreas Monn, Praktikant*innen: Veronica Berardi, Sven Fawer, Ludwig Hänssler, Gilles Scapin, Rose Schuller
Bauherrschaft
UTO Real Estate Management AG, Zürich (Mock-up: Professur Mosayebi, Departement Architektur, ETH Zürich)
Landschaftsarchitekt: Edelaar Mosayebi Inderbitzin Architekten, Zürich
Ingenieur: wlw Bauingenieure AG, Zürich
Holzbauingenieur, Bauphysiker: Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Zürich
HLS-Planer: Böni Gebäudetechnik AG, Oberentfelden
Elektroplaner: Gutknecht Elektroplanung AG, Au
Publikation
www.baunetz.de, 09.05.2023
werk, bauen + wohnen 5/2023
FIRST 1/2023
archithese 1/2023
TEC21 6/2023
Bauwelt 3/2023
arc mag 1/2023
Wohnoptionen, Wüstenrot Stiftung 2022
Hochparterre 12/2022
NZZ am Sonntag, 2.10.2022
Mehr als gewohnt, vai, Dornbirn, 30.9.2022–21.1.2023
www.baunetz.de, 1.3.2022
Schweizer Baudokumentation, 9.11.2021
ABZforum N°2, Juni 2021
Tsüri.ch, 29.11.2020
10vor10, 18.9.2020
md Juni/Juli 2020
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12.4.2020
SRF Forward, 19.2.2020
Slide 2/2020
www.watson.ch, 15.2.2020
SRF Kulturplatz, 12.02.2020
www.dear-magazin.de, 14.1.2020
Wohnrevue 10/2019
www.igloo.ro, 7.10.2019
Tages-Anzeiger, 16.9.2019
www.swiss-architects.com, 12.9.2019
Hochparterre 9/2019
Limmattaler Zeitung, 2.8.2019
Zürichsee-Zeitung, 31.7.2019
Der Landbote, 31.7.2019
www.baunetz.de, 26.7.2019
Auszeichnung
Die Besten 2022, Gold