Zürich, 2019–2022
Direktauftrag, 2019
«Wirklich nichts wäre anders, aber alles wäre besser»
Das zweigeschossige Einfamilienhaus am Rand von Zürich Riesbach wurde 1906 für die Familie des Kunstmalers Heinrich Appenzeller von der Baufirma Fietz & Leuthold erbaut. Sein robuster Grundriss repräsentiert auf pragmatische Art die bürgerlichen Wohnvorstellungen jener Zeit. Einflüsse aus englischen Landhäusern sowie einige wenige dekorative Elemente bereichern das Haus. Ein augenfälliges, pittoreskes Element stellt ein burgartiger Risalit mit gestuftem Abschluss auf der Nordfassade dar; es gab wohl dem Haus seinen Namen “zum Dächli”.
Ein informell gehaltener Eingang mit Gästetoilette lag im Erdgeschoss; im Hochparterre befanden sich gartenseitig Küche und Esszimmer, daran anschliessend eine geschlossene Veranda sowie strassenseitig Wohnzimmer und Salon. Im Obergeschoss waren seit je drei Zimmer sowie das grosse Bad mit Ankleide, im Dachgeschoss befanden sich weitere Schlaf- und Angestelltenräume.
Mit dem Umbau führte die private Bauherrin dem Haus eine neue Nutzung zu – es wurde zum Wohn- und Atelierhaus. Das Raumprogramm wurde mit einfachen Eingriffen am Bestand an die zeitgenössischen Bedürfnisse seiner neuen Bewohnerschaft angepasst. Die Übergänge zwischen Alt und Neu wurden verschliffen.
Im Untergeschoss entstanden neue Atelierräume mit Töpferwerkstatt sowie eine Backstube. Aufgrund der fehlenden Garderobe wurde im Erdgeschoss das strassenseitige Zimmer durch ein raumhohes Schreinermöbel in zwei schmale Räume geteilt: in eine Umkleide sowie Bibliothek mit Arbeitsplatz. Laterale Durchbrüche öffnen die gekammerte Raumstruktur und verbinden Zimmer wie beispielsweise Küche mit Esszimmer, Salon mit Bibliothek, Schlafzimmer mit Ankleide und ermöglichen ein zweite Erschliessungsebene entlang der Fassaden. Die neuen gestemmten Türen sind konstruktiv und proportional den historischen nachempfunden, verweisen jedoch durch ein kleineres, skaliertes Format auf die neue, informelle Wegführung. Die Veranda im Erdgeschoss wurde im Sinne eines Wintergartens uminterpretiert und mit mineralischen Materialien, Terrazzo und einer Sitzbank aus glasierten Keramikkacheln neu geprägt. Eine feingliedrige Verglasung an Stelle der geschlossenen Trennwand schafft eine neue Durchlässigkeit, so dass der Wohnraum heller und grosszügiger erscheint und Haus und Garten sich stufenweise verschränken. Das grosse Zimmer mit Veranda im Obergeschoss wird als nutzungsneutraler Raum belassen: es kann Wohnzimmer, Gästezimmer, Salon oder Büro sein. Die Zimmer im Dachgeschoss sind ebenfalls nutzungsneutral und können als Arbeits-, Studier- oder Schlafzimmer genutzt werden.
Die Eingriffe an der Fassade sind ebenfalls minimal gehalten. Aus energetischen wie denkmalpflegerischen Gründen wurden die Fenster ersetzt. Die neuen Fenster mit Isolierglas wurden auf Grundlage von historischen Profilierungen entworfen. Der geschlossenporige und kunstsfoffhaltige Feinabrieb aus den 1980er wurde entfernt und durch einen ökologischen Sumpfkalkputz ersetzt. Dazu wurde eigens das Material vor Ort in einer Kalkhütte nach historischen Techniken eingesumpft und gemischt. Mit einer von Fassaden aus dem Quartier abgeleiteten, neuartigen Methode wurde der Putz mit Holzkohlemehl und Ocker pigmentiert und mittels einem Jutevlies grossflächig verrieben. Der lebendige, grobkörnige Putz bildet die Handschrift der Handwerker:in ab und soll das Haus in der Umgebung und in den Strassenzug natürlich einbinden. Der Dachabschluss und die hölzerne Dachuntersicht wurde ebenfalls in Anlehnung an die historischen Häuser im Quartier verfeinert und mit einer neuen Hohlkehle ausgebildet.
Eine Textarbeit des Künstlers Benedikt Bock aus gebrannten, bündig im Putz eingelegten, glasierten Keramikbuchstaben an der Westfassade zur Strasse nimmt im Sinne einer Inschrift unter anderem Bezug zur Geschichte des Hauses und stellt den Dialog zum öffentlichen Raum her. Ein Rankgerüst sowie handgeschmiedete Spalierhaken wurde mit den Umgebungsarbeiten an der Fassade angebracht.
Mitarbeit Planung und Ausführung
Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Ramin Mosayebi, Charlotte Decollogny, Ernst Schubert, Rose Schuller
Bauherrschaft
privat
Kunst am Bau: Benedikt Bock
Landschaftsarchitektur: Ganz Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich
Fotos
Alexander Gebetsroither
Auszeichnung
Schweizer Preis für Putz und Farbe 2023