3
Wohnüberbauung Tägelmoos
Seen, Winterhur
Projektwettbewerb, 2006

Städtebau und Architektur
Ort
Den Städtebau in Winterthur-Seen zeichnen unterschiedlich dichte Siedlungsmuster mehrheitlich periurbaner Prägung aus. Das Areal des Wettbewerbsperimeters liegt an landschaftlich interessanter Lage am Hangfuss von Etzberg und Hegiberg. Ein querendes Bächlein und die bestehende Staudenbepflanzung akzentuieren den Übergang von Hang und Ebene. Die topografischen Voraussetzungen mit einem ebenen, westlichen und einem östlichen Teil am Hang bieten spezifische Bedingungen für eine Wohnsiedlung mit hohem räumlichen Zusammenhalt. Das Areal bietet durch seine gut erschlossene Lage eine optimale Ausgangslage für Wohnnutzungen.

Städtebauliche Idee und Baukörper
Die städtebaulich-volumetrische Idee der Baukörper folgt zum einen den topografischen Gegebenheiten und versucht zum andern eine optimale Besonnung aller Wohnungen zu erzielen; fünf Bauten sprechen von der Kontinuität des Landschaftsraumes und orientieren sich gleichwertig in west-östlicher Richtung. Die versetzte Lage der Gebäude zueinander und ihre ondulierenden Fassaden passen die Volumen in die feineren Bewegungen der Topografie ein, beziehen die bestehende Vegetation in den Aussenraum mitein und zeichnen eine harmonische Geometrie für den Weg vor. Die Anlage vermittelt an ihren Grenzen auf jede Seite mit einer spezifischen städtebaulichen Reaktion: die zwei Zeilenbauten entlang der Wurmbühlstrasse definieren gegen Westen den Strassenraum und gegen Süden, durch ein feines Abdrehen und Abrücken der langen Zeilen von der südlichen Bebauung, einen Erschliessungs- und Eingangsraum für die Siedlung. Der kompakte Gebäudekörper für die GAIWO-Alterswohnungen gewährt einen funktionalen Bezug von Bestand und Neubau und schafft einen grosszügigen und ruhigen Aufenthaltsraum für die Siedlung in deren Mitte (offen zum Grünraum der Schule). Das oberste Haus an der Grundstrasse bildet über das Abrücken von der Strassenabstandslinie einen adäquaten Übergang zur feinkörnigen Wohnbebauung am Hang.

Aussenraumgefüge und Erschliessung
Der Aussenraum ist das Verbindende der Siedlung und trägt über verschiedenartig proportionierte Räume in gleichem Masse wie die volumetrisch-plastische Durchbildung der Gebäude zum hohen Identifikationswert der Siedlung bei. Die bestimmende Folge von Aussenräumen ist als Kontinuum angelegt, das den öffentlichen Weg von der Wurmbühlstrasse zur Grundstrasse nachzeichnet. Da alle Wohnungen im Hochparterre liegen, sind die Aussenräume durchgehend öffentlich, allerdings mit unterschiedlichen Nutzungsintensitäten (ruhige und belebtere Flächen).
Der erste Aussenraum schiebt sich keilförmig von der Wurmbühlstrasse aus zwischen die Neubauten und die südlich angrenzende Siedlung und dient der Erschliessung der Siedlung (Hauptzugang); die Tiefgaragenabfahrt beginnt hier, seitlich befinden sich Veloabstellplätze und am Ende erreicht man das Gebäude der GAIWO-Alterswohnungen. An der Stirne des GAIWO-Gebäudes öffnet sich ein zweiter, zentraler und platzartiger Aussenraum; er stellt die aussenräumliche Mitte der Anlage dar und steht offen für Begegnungen und das Spiel (Spielgeräte, Bänke). Ausgehend davon führt der öffentliche Weg zur Würmbühl- resp. Grundstrasse. An der Grundstrasse mündet der Weg in einen Vorplatz zwischen Strasse und oberstem Haus. Hier sind wiederum Velo- und Besucherparkplätze vorgesehen (sowie Parkplätze für Gehbehinderte, die in den Hanghäusern wohnen).
Privatisierte Aussenräume sind nur beim Gebäude im Hang vorgesehen (Behindertenwohngruppe). Deren Bewohner haben einen Überblick über den zentralen Platz und partizipieren so am gemeinschaftlichen Leben der Siedlung.
Die Tiefgarage im unteren Arealteil bietet für sämtliche Wohnungen insgesamt 135 Abstellplätze. Zwei Drittel der Wohnungen sowie sämtliche Alterswohnungen sind direkt an die Tiefgarage angeschlossen.

Architektur
Die zeilenartigen Gebäude der ASIG werden über ein additives Prinzip von zweispännig organisierten, unterschiedlich langen Gebäudeeinheiten gebildet. Durch die Nord-Süd-Stellung erhalten alle Wohnungen eine Ost-Westausrichtung. Ausgehend von den kompakten Volumen wurde einzig durch die Trapezform der Loggiaplatten ein volumetrisch-plastisches Thema entwickelt, das eine städtebaulich signifikante Wirkung erzielt, die der Siedlung einen hohen Identifikationswert verschafft. Auch das Attika ist in dieses kompositorische Prinzip eingebunden und wirkt nicht aufgesetzt. Die ondulierende Abwicklung rhythmisiert die gebänderten Fassaden, unterstützt durch die Intervalle zwei verschieden grosser Loggien.
Das Gebäude der GAIWO ist bestimmt durch eine verwandte Abwicklung, wenn auch das generierende Moment hier ein innenliegender Erschliessungs- und Aufenthaltsraum ist. Das Gebäude der GAIWO kommt mit einem Minimum an Erschliessung aus (2x 5-spännige Organisation).
Die Wohngeschosse beginnen in allen Gebäuden (mit Ausnahme des Hanghauses) auf einem Hochparterre von 70 cm Mittelwert. Allen Wohnungsgrundrissen gemeinsam sind diagonale Sichtbezüge, welche die Wohnungen «seitlich» öffnen, Weite schaffen und verorten. Weiter ergeben sich durch die Stellung der Baukörper für jede Wohnung sowohl zum «inneren» Aussenraum der Siedlung wie in die weitere Umgebung des Quartiers jeweils andere Raumbezüge.
Kollektive NutzungenDie kollektiven Nutzungen sind im Ergeschoss des zentralen Gebäudes der GAIWO-Alterswohnungen eingerichtet. Unter Ausnutzung des bereits ansteigenden Gefälles lässt sich für den Mehrzweckraum, die Räume des Abwartes und die Siedlungsbetreuung eine Mehrhöhe im Innenraum realisieren, was dem öffentlicheren Charakter der Räume Rechnung trägt.
Wohnungen für die ASIGDer diagonale Aufbau der Grundrisse lässt die Wohnungen grosszügig und offen erscheinen. Eine zweite, der Eingangshalle zugeordnete Loggia sorgt für Tageslicht im Innern der Wohnung und schafft eine zweiseitig Orientierung der Wohnungen; es ist möglich, sowohl am Abend wie am Morgen draussen zu essen. Durch die natürliche Belichtung der Eingangshalle wird diese zur multifunktionalen räumlichen Mitte; hier können Kinder spielen oder Hausarbeiten erledigt werden.Alle Räume werden von der zentralen Eingangshalle aus erschlossen. Es gibt keine über den Wohnraum erschlossene Zimmer (keine «kreuzenden» Wege), die im Fall von Familienwohnungen ein Problem sind. Dennoch lassen die Grundrisse vielfältige Wohnformen zu, da mehrere, sekundäre Direktverbindungen möglich sind; bspw. vom Wohnraum ins angrenzende Zimmer, das so ein «Durchwohnen» an beide Fassaden erlaubt. Weiter besteht ein direkter Zugang vom Wohnraum in die geräumige Küche, damit ein Essplatz in einem der Räume frei gewählt werden kann. Ein Zimmer ist seitlich mit einer Loggia verbunden, das so räumlich erweitert wird und bspw. als Arbeitszimmer eingerichtet werden kann.
Diejenigen Wohnungen, welche über kein abgetrenntes Reduit verfügen, besitzen ausreichend Einbauschränke in der Küche und der Eingangshalle.

Alterswohnungen für die GAIWO
Beim Wohnen im Alter erhalten die Gemeinschaft und der Austausch unter den Bewohnern zentrale Bedeutung. Aus diesem Grund wurde ein kompaktes Volumen mit einer kranzförmigen Anordnung der Wohnungen entwickelt, wo die einzelnen Wohnungen von einem zentralen, grosszügig dimensionierten Begegnungs- und Aufenthaltsraum aus erschlossen werden (2×5-spännig organisierter Gebäudetyp).
Der Haupteingang des Gebäudes befindet sich an zentraler Stelle im Aussenraum und fällt zusammen mit einem allgemeinen Ausgang aus der Tiefgarage (direkte Anbindung), sodass Kontakte mit den Bewohner der ASIG-Wohnungen entstehen. Ein zweiter, ostseitiger Eingang schliesst das Gebäude an die bestehende GAIWO-Siedlung an. Die Anordnung der Siedlungsbetreuung im südlichen Sockelbereich schafft ein funktionales Scharnier zwischen Bestand und Neubau und ermöglicht einen effizienten Betrieb beider Häuser.
Die Wohnungsgrundrisse haben räumliche Verwandtschaft zu den ASIG-Wohnungen. Ein geräumiger Eingangsraum erschliesst sämtliche Räume. Alle Wohnräume stossen direkt an die Fassaden, Bäder und Reduit sind rückwärtig angeordnet. Die grossen Wohnungen (2 1⁄2 und 3 1⁄2) sind in den Gebäudeecken placiert und haben so zwei Ausrichtungen.

Energiekonzept und Haustechnik

Minergie
Das Gebäude wird so realisiert, dass der Minergie-Standard erfüllt wird. Die Nutzung ökologisch günstiger, erneuerbarer Energie für die Wärmeerzeugung (Holzpellets), der Einsatz einer Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung sowie eine gut gedämmte Gebäudehülle (Dämmstärke ab 18 cm) tragen wesentlich dazu bei, dass der Minergiestandard ohne grosse Mehrkosten erreicht werden kann. Die hohe Wärmespeicherfähigkeit des massiven Kerns erlaubt einen guten Nutzungsgrad der solaren Wärmegewinne, sodass der Heizwärmebedarf die Minergie-Primäranforderung an die Gebäudehülle um rund einen Drittel unterschreitet.

Raumwärme und Warmwasser
Für die Deckung des Heizwärmebedarfs wird eine zentrale Holzpelletfeuerung vorgesehen. Über ein Wärmenetz werden die Unterstationen in den einzelnen Gebäudeteilen mit Wärme bedient. Die Niedertemperaturwärme wird in den Wohnungen über eine Fussbodenheizung verteilt.
Durch die zentrale Holzpelletfeuerung wird gegenüber einer Wärmeerzeugung mit Gas der jährliche Ausstoss an CO2 signifikant verringert. Im Vergleich zur Nutzung von Erdwärme sprechen tiefere Investitionskosten für eine Holzpellet-feuerung. Aufgrund des homogenen Brennstoffs sind Pelletfeuerungen sehr effizient, emissionsarm und erlauben einen automatischen und wartungsarmen Betrieb. Für die Wärmezentrale ist auch ein Betrieb im Contracting möglich.
Das Warmwasser wird dezentral in 8-9 Unterzentralen in den einzelnen Gebäudeteilen erzeugt. Der Wärmebedarf für das Warmwasser wird über das Wärmenetz aus der Heizzentrale (Pelletkessel) gedeckt.

Lüftung
Um ein gutes Innenraumklima und einen hohen Schallschutz auch auf den Strassen zugewandten Wohnräumen zu erzielen wird die Siedlung mit einer Komfortlüftung ausgerüstet. Diese dient zudem der Sicherstellung des thermischen Komforts sowie der Einhaltung der hygienischen Anforderungen und schützt das Gebäude während der Heizperiode durch Wärmerückgewinnung in der Abluft vor unkontrollierten Wärmeverlusten. Pro Treppenhaus (8 Wohnungen) wird eine Lüftungszentrale vorgesehen um die Luftführung einfach und die Anlage damit kostengünstig zu halten. Die Luftverteilkästen werden für Wartungsarbeiten zugänglich im Garderobenschrank angeordnet. Die Positionierung der Lüftungsschächte und der Zu- und Abluftleitungen erfolgt so, dass mehrere Grundrissvarianten möglich bleiben. Grundsätzlich sollen die Wohn- und Schlafräume frische Zuluft erhalten, während die Abluft über die Küchen und Bäder abgeführt wird, sodass unerwünschte Geruchsemissionen vermieden werden können. Die Luftleitungen werden in der Betondecke kreuzungsfrei eingelegt.
Für die Kochstellen werden Umlufthauben vorgesehen. Dies ermöglicht ein einfaches Lüftungskonzept ohne Beeinflussung der Luftmengenbilanz (kein Unterdruck in der Wohnung) und vermeidet damit zusätzliche Wärmeverluste.

Bauphysik
Mit natürlicher Beschattung durch die Balkone und aussenliegendem Sonnenschutz wird ein hervorragender sommerlicher Wärmeschutz erreicht. Die gute thermische Behaglichkeit wird unterstützt durch die kompakte Gebäudehülle und den massiven Kern mit Decken und Wänden aus Beton.Die Wohneinheiten werden über abgetrennte Entrées erschlossen. Dadurch ist der Schallschutz zum Treppenhaus mit Lift problemlos gewährleistet. Der Schallschutz zwischen benachbarten Wohneinheiten ist mit einer kurzen Abwicklung und der Trennung durch Massivbetonwände gut gelöst.

Materialisierung und Wirtschaftlichkeit

Gebäudestruktur
Vorgeschlagen wird eine rationelle, einfache Gebäudestruktur aus durchgehenden Geschossplatten in Ortbeton (22 cm) und tragenden Innenwänden aus Backstein. Diese werden je nach den statischen und schalltechnischen Anforderungen im Bereich der Fassade lokal mit Betonscheiben verstärkt. Aussteifend wirken betonierte Wände bei Liftkernen und Treppenhäusern. Die Fassade ist nichttragend. Die Tragstruktur ist so ausgelegt, dass die Grundrisse veränderten Bedürfnissen in der Zukunft angepasst werden können.
Die Bodenplatten der Loggien können dreiseitig und thermisch getrennt auf den Geschossplatten aufgelegt werden, sodass keine kostenintensive Kraganschlüsse notwendig werden und energetisch nachteilige Wärmebrücken entstehen.

Gebäudehülle
Das Brüstungsband in den Längsfassaden wird als Kompaktfassade ausgebildet (Dämmstärke 18 cm), das Fensterband ist ausgenommen im Badbereich durchgehend. Rahmenverbreiterungen decken Zimmer- und Wohnungstrennwände ab. Stirnseitig sind die Fassaden durchgehend als Kompaktfassaden ausgebildet. Für Dämmungen und Verputze kommen ausschliesslich mineralische, dampfdiffusionsoffene Materialien zum Einsatz und garantieren Langlebigkeit und Nachhaltigkeit. Die Fenster sind als dauerhafte Holz-Metallfenster vorgesehen.
Das Farbkonzept sieht helle Töne vor, welche sich durch die Lichtbrechungen der geknickten Bänder in ein breites, fein nuanciertes Farbspektrum auffächern.

Wirtschaftlichkeit
Um die vorgegeben Kennwerte (3000.- CHF/ m2 HNF inkl. Garage) erreichen zu können, müssen die Gebäude äusserst preiswert erstellt werden. Das Projekt trägt diesem Aspekt Rechnung, indem ein architektonisches Thema entwickelt wurde, das ausgehend von kompakten Volumen einzig durch die Trapezform der Loggiaplatten eine städtebaulich signifikante Wirkung erzielt. Für eine wirtschaftliche Realisierung von Bedeutung ist weiter eine optimale Etappierbarkeit bei der Erstellung.
Aufgrund der optimalen Anordnung der Wohn- und Ruheräume (von den Erschliessungzonen abgewendet) und die Anordnung der Steigzonen (mehrheitlich bei den Treppenhäusern) ist eine einfache und kostensparende Konstruktionsweise möglich. Gleiches gilt für die als Kompaktfassade ausgebildete Gebäudehülle.

Mitarbeit Wettbewerb
Monika Kilga, Stephan Popp, Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin

Zusammenarbeit
KilgaPopp Architekten, Winterthur

Landschaftsarchitekt: Raymond Vogel Landschaftsarchitekt, Zürich
Bauphysiker: BWS Labor AG, Winterthur
Bauökonomie: Bühler & Oettli Baumangement, Zürich