Zürich
Projektwettbewerb, 2010
Der Ort: Ein Rasenteppich mit Baumskulpturen
Was beim Betreten der Badeanstalt Mythenquai im Vergleich zu anderen Zürcher Badis überrascht, ist die Ausdehnung eines «wegefreien» Rasenteppichs, der mit teilweise monumentalen Baumskulpturen bestanden ist. Während andere Badeanlagen von einem Wegnetz durchquert werden, bilden hier die Wege einen beinahe «unsichtbaren Saum», welcher diese eindrückliche, nur leicht modulierte Rasenfläche zusammen mit feinen Holzarchitekturen rahmt. Dass dabei praktisch keine Bewegungslinien vorgegeben sind, ist eine spezifische Qualität des Ortes. Sie soll mit dem Projekt gestärkt werden, beispielsweise in dem die heutige, trennende Anlieferung zum Kiosk rückgebaut wird. Minimale Eingriffe im Baumbestand dienen ebenfalls mehr der Klärung der heutigen Situation als einer Neuinterpretation. So werden zur Stärkung der objekthaften Baumgruppen und zur Schaffung neuer Durchsichten einzelne Bäume entfernt und andernorts durch Neupflanzungen ersetzt. In Verbindung damit steht eine Aufwertung des bewachsenen Uferbereichs im Südosten in Verbindung, wo ein neuer Aufenthaltsort mit Möblierungen und Grillstellen angeboten wird.
Die architektonische Form: Sandstrand, Bordwalk und Kiosk
Das Projekt verbindet das Kioskgebäude mit einem «Bordwalk» sowie dem bestehenden Sandstrand — ein einmaliges Element in Zürich — zu einer architekto-nischen Form. Der Bordwalk aus hellem Ortbeton schafft dabei eine klare Beziehung zwischen Badeanstalt und See, indem er am Übergang von Land zu Wasser zum Promenieren einlädt und die heutige, unscharfe Kante zwischen Rasen und Sand ersetzt. Seitlich schliesst er mit zwei breiten «Wassertreppen» ab, «umklammert» dabei den Sandstrand und stärkt ihn in seinem artifiziellen, gewissermassen implantierten Charakter. Auf der Landseite weitet sich der Bordwalk an einer Stelle zu einem Platz für das Kioskgebäude auf. Die Anlage von Bordwalk, Strand und Kiosk ist auch im Winter eine attraktive Sequenz der Seeuferpromenade.
Das Kioskgebäude kommt an ungefähr gleicher Lage wie das bestehende zu liegen und besitzt weiterhin das Privileg der Nähe zum See. Seine Form entwickelt sich ausgehend von wenigen Prämissen. Zunächst definiert ein schirmartiges, allseitig ausladendes Dach den Ort. Die Raumabschlüsse zwischen Bodenplatte (Bordwalk) und Dach bestehen aus klaren und verspiegelten Gläsern, die real respektive fiktiv einladende Durchsichten ergeben und so die Präsenz des schwebenden Daches stärken. Die «Explosionsgeometrie» im Grundriss, welche auf konzentrischen und akonzentrischen Kreissegmenten aufbaut, erzeugt ein allseitig öffentliches Gebäude, das nach sämtlichen Expositionen ein «Gesicht» entwickelt und Zugänge sowohl von der See- wie auch von der Badiseite anbietet. Die Raumstruktur erlaubt ideale Betriebsabläufe, wobei die dienenden Räume mehrheitlich im Innern liegen. Der Aussenbereich des Restaurants befindet sich im Nordosten des Pavillons und profitiert so gleichermassen von Schatten, See und Bezug zur Badi. Die Dachuntersicht ist mit fein profiliertem Holzwerk verkleidet und wie die Fensterrahmen weiss gestrichen. Es nimmt darin Bezug auf die bestehenden Architekturen der 1950er-Jahre und entwickelt darüber hinaus einen eigenständigen, maritimen Charakter.
Eine grosse Herausforderung stellt die Anlieferung des neuen Kioskes dar. Eine Querung des «Rasenteppichs» sowie das in der Ausschreibung vorgeschlagene «Ingenieurbauwerk» am Mythenquai scheinen überproportional und unangemessen. Vorgeschlagen wird deshalb alternativ eine Anlieferung von Süden über die Stichstrasse zwischen Landiwiese (ebenfalls im Besitz der Stadt) und Strandbad. Die baulichen Massnahmen beschränken sich bei dieser Variante auf eine Ausweitung der Einmündung in den Mythenquai (Wartepositionen vor Velo-/Fussweg bzw. Strasse) sowie einen Wendeplatz bei der Einfahrt ins Badigelände. Der Wendeplatz klärt über seine funktionale Bedeutung hinaus den Zugang zur Badi in der Wintersaison respektive die Fortsetzung des Seeuferweges («Auffindbarkeit»). Anlieferungen ausserhalb der Öffnungszeiten können direkt bis zum Kioskgebäude über die befestigte Chaussierung und den «Bordwalk» erfolgen. Nachlieferungen während dem Badebetrieb werden vom Betreiber mit einem Elektrogabelstapler (Dockstation im Anlieferungsraum) bei der Einfahrt abgeholt.
Der Hörraum: Audiokunst
Das künstlerische Projekt greift die Idee des Weglassens und der Durchsichten auf und sucht nach einer möglichst «immateriellen» Umsetzung. Dabei geht das Konzept zur Produktion eines Klang- oder Hörstückes vom Strandbad als akustischem Ort, als Hörraum, aus. Die ausgeprägte Erfahrung des Hörens in einem Freibad soll um ein subtiles Werk, das zu sorgfältigem Hinhören und Verweilen einlädt, erweitert werden. Dazu entsteht ein Audiostück, das in mehrteiligen Fragmenten an einigen ausgewählten Orten innerhalb oder in den Randzonen der Anlage installiert wird. Das Audiostück kann sich somit auf die spezifischen historischen, atmosphärischen oder gesellschaftlichen Gegebenheiten des Strandbads beziehen und diese reflektieren. Entsprechend der inhaltlichen Anlage des Werkes und der spezifischen Umgebungen in denen dieses installiert wird, soll dabei auch auf die unterschiedlichen saisonalen oder wetterbedingten Nutzungen des Bades eingegangen werden.
Mitarbeit Wettbewerb
Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Gabi Bernath-Hauser, Pascal Steiner
Bauherrschaft
Stadt Zürich, Amt für Hochbauten, Zürich
Landschaftsarchitekt: Ganz Landschaftsarchitekten GmbH, Zürich
Kunst: Andrea Thal, Zürich
Publikation
archithese 4/2019