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Projektentwicklung Hoffnig
Dübendorf
Wettbewerb, 2014

Der grosse Massstab – Das Territorium als städtebauliches Kriterium
Die bisher realisierten Bauten im Hochbord weisen in ihrer städtebaulichen und formalen Ausprägung eine grosse typologische Varianz auf und verfügen dementsprechend über eine gewisse urbanistische Autonomie. Freistehende Wohntürme, Blockrandbebauungen und andere Gebäudeformen besetzen die Parzellen des mehr oder weniger orthogonalen Strassennetzes. Der in früheren Studien konzipierte Blockrandplan wird nicht umgesetzt.
Unser Projekt «Hoffnig» sucht seine Integration im Stadtteil Hochbord deshalb nicht unmittelbar im städtebaulichen Kontext, sondern strebt – seiner Bedeutung als Auftakt am Bahnhof Stettbach entsprechend – eine Einordnung und Ausrichtung auch auf territorialer Ebene an. Damit sind der topografische Übergang von der Glatttalebene zum nördlichen Hang des Zürichbergs sowie die übergeordneten Infrastrukturen mit der Ausfallsachse der Zürichstrasse und der orthogonal dazu verlaufenden S-Bahnlinie gemeint.
Die zwei Bauten von Turidomus und Senn bilden zusammen eine städtische Grossform, die in ihrer Stellung quer zum Hang den Übergang von Zürichberg zur Glatttalebene akzentuiert, das Infrastrukturkreuz von Zürichstrasse und S-Bahn besetzt und als Stadtkante zwischen den Städten Dübendorf und Zürich vermittelt. In ihrer Massstäblichkeit baut sie so Verbindungen zu den Landmarks der neuen Stadtteile Richti-Areal und Zwicky-Areal in Wallisellen und Dübendorf auf.
Das Projekt spannt zusammen mit der Überbauung Sunnigehof einen leicht trichterförmigen Raum auf, der die Landschaftsräume des Zürichberghanges und der Glatttalebene verbindet. Darin eingestellt ist der «Pavillon» des Bahnhof Stettbach.

Der lokale Kontext – Die Aussenräume als Keimzelle der Stadt
Neben seiner Verortung im geografischen Raum schafft das Projekt aber auch unterschiedliche und differenzierte städtische Räume im lokalen Wirkungskreis. Nach aussen verbinden sich die kommerziellen Erdgeschossnutzungen über Arkaden zum Bahnhofsplatz, zur Zürichstrasse sowie zum oberen Abschnitt der Strasse «Am Stadtrand» mit den unmittelbar angrenzenden öffentlichen Räumen. An diesen Orten werden die Arkaden als städtische Elemente eingesetzt, um einerseits eine räumliche Öffnung vom Gebäude zum Aussenraum zu ermöglichen und gleichzeitig den Passanten einen hohen Komfort anzubieten.
Die zwei Bauten von Turidomus und Senn umfassen zudem im Innern einen in Proportion und Ausgestaltung spezifischen städtischen Raum, der eine unverwechselbare Identität für das Areal «Hoffnig» schafft und gleichzeitig als Verbindungsraum zwischen Bahnhof Stettbach und dem Hochbord-Quartier frequentiert wird. Er kann für die nordöstlich angrenzende Parzelle als Referenz für eine Weiterführung gelten, behält seine Gültigkeit aber auch, falls dort eine andere Bebauungsform realisiert wird. Anders als etwa ein Boulevard ist er nicht auf eine Fortsetzung angewiesen.
Die diagonal versetzte Anordnung der Arkaden am Bahnhofsplatz und «Am Stadtrand» zeichnen zusammen mit den Zugängen zum Hofraum eine S-förmige Bewegungslinie vor, welche den Bahnhof Stettbach mit dem Stadtteil Hochbord verbindet. Der Stadthof ist Transitraum und Aufenthaltsort in einem und kann für verschiedene Veranstaltungen wie Wochenmarkt, Velobörse o. ä. genutzt werden. Seine attraktive räumliche Präsenz stärkt ihn gleichzeitig als Standort und Anlaufpunkt für die umlaufenden Geschäftsräume im Erdgeschoss. So profitieren auch die Läden an der Strasse «Am Stadtrand» durch ihre zweiseitige Ausrichtung vom Stadthof und seinen Passanten.
Der zweite zentrale Aussenraum ist ein den Bewohnern des Areals Hoffnig vorbehaltener, gemeinschaftlicher Wohnhof. Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss öffnen sich Lauben sowie offene Erschliessungsräume und verbinden diese mit dem Hofraum. Dieser ist kleinräumiger gegliedert, bepflanzt und versorgt die Bewohner mit den nötigen Alltagsinfrastrukturen wie Spielplatz oder Sitzgelegenheiten. Zum Stadthof kann er nachts durch zwei Toranlagen getrennt werden, nach Norden wird er über eine terrassenartige Kante zum Umraum abgeschlossen.

Erschliessung und Nutzung – Entflechtungen und Synergien
Die Erschliessungsstruktur ist eine direkte Antwort auf die Anforderungen einer städtischen Architektur sowie der spezifischen Nutzungsanordnung des Projektes. So sind im Gebäude der Turidomus die Nutzungen vertikal gegliedert: Die Flächen für Verkauf befinden sich im Erdgeschoss, die restlichen gewerblichen Flächen im ersten Obergeschoss, darüber folgen die Wohngeschosse.
Kernelement der Erschliessungsstruktur sind nach aussen offene und damit gut einsehbare Streetdecks im ersten Obergeschoss, welche hier die gewerblichen Nutzungen direkt aus dem Aussenraum (und entsprechender Adressbildung zum Bahnhofplatz) erschliessen.
Auch die Eingänge zu den Vertikalerschliessungen zu den Wohngeschossen gehen von den Streetdecks ab. Damit gibt es keine Überschneidungen von Gewerbe- und Wohnungszugängen in Vertikalerschliessungen. Zudem müssen die Treppenhäuser nicht bis in Erdgeschoss geführt werden, was die freie Einteilbarkeit der Verkaufsflächen beträchtlich verbessert und grosse Flexibilität schafft. Im Bereich des Gartenhofes werden über das u-förmige Streetdeck die kleinteiligen Alterswohnungen effizient erschlossen und räumlich über den Gartenhof zusammengefasst.
Auch beim Gebäude für Senn ist über der Arkade an der Zürichstrasse ein Streetdeck vorgesehen, wodurch sich im Erdgeschoss eine zusammenhängende Fläche für einen Grossverteiler ergibt. Die Streetdecks lassen sich an diskreten Stellen automatisch schliessen, sodass sie nachts nur für die Bewohner zugänglich sind.
Die städtebauliche Setzung in Kombination mit der beschriebenen Erschliessungsstruktur erzeugt eine einfache und klare Adressbildung: Zum Bahnhofsplatz hin weist das Areal drei Zugänge auf und auf der Erdgeschossebene verfügen auch die Verkaufsflächen «Am Stadtrand» über einen einfach auffindbaren Anschluss zum Bahnhof.

Architektonischer Ausdruck und Materialisierung
Mit dem architektonischen Ausdruck wird eine städtische Architektur angestrebt, die für den angestrebten Massstab über die notwendige Robustheit und Einfachheit verfügt und einen Beitrag zum urbanen Charakter des Hochbord-Quartiers leistet.
Vorgeschlagen wird eine Primärgliederung über eine umlaufende, vertikale Pfeilerordnung als Abbild des inneren Skeletts, welche hilft die unterschiedlichen Geschosshöhen aufzunehmen und die Bauten als Ganzes «zusammenhält». Sekundär treten die Geschossebenen sowie eine dritte Ebene (Storenkästen, teilweise zusätzliche vertikale Teilung) in Erscheinung. Das differenzierte Relief wird mit vorfabrizierten, eingefärbten, dünnwandigen Betonlementen ausgeführt.
Die Felder werden je nach Nutzung offener oder geschlossener ausgebildet. Die Fassade reflektiert mit der umlaufenden Pfeilerstellung und den auf die Nutzungen abgestimmten «Füllungen» die beiden Massstäbe des Territorialen und Lokalen.

Nutzungsangebote, Tragstruktur und Flexibilität
Beiden Gebäuden und sämtlichen Nutzungen ist eine bis in die Tiefgarage vertikal durchgehende Tragstruktur auf festem Raster unterlegt. In diesem Raster sind die Fassaden sowie eine Stützenreihe auf der Mittelachse tragend (einzig der Gebäudeteil an der Zürichstrasse besitzt zwei innere Tragachsen). Die gewählte Struktur bietet maximale Flexibilität und Effizienz in der Planung und bei späteren Umbauten.
Die Wohnungen im Gebäude von Turidomus sind grossmehrheitlich Ost-West ausgerichtet und bieten der Orientierung entsprechend – trotz kleinen Wohnflächen – ein «Durchwohnen». Die Wohnungen sind kompakt und praktisch geschnitten. Auf Erschliessungsflächen innerhalb der Wohnungen wurde zugunsten grosser Zimmer und Wohnräume verzichtet.
Die Aussenräume in Form von sehr privaten Loggien sind knapp gehalten, bieten aber mit einer äusseren Verglasung einen hohen Nutzwert als Dreijahreszeiten-Zimmer. Sie vergrössern die eher knappen Wohnungsflächen. Als zusätzliche Aussenräume werden neben dem Gartenhof Dachterrassen für den Sommer angeboten.
Die Wohngeschosse beginnen ab dem zweiten Obergeschoss und sind gegenüber dem Stadtniveau gegen Einsicht gut geschützt. Eine Mehrzahl der Wohnungen verfügt damit auch über Fernsicht ins Glatttal und auf den Zürichberg.
Im Bereich der Gewerbeflächen von Turidomus wurden zwei Nachweise erarbeitet. Zum einen Alterswohnungen um die 40 bis 58 Quadratmeter auf dem ersten Obergeschoss und um den Gartenhof. Zum anderen Wohnateliers im Erdgeschoss mit rund 100 Quadratmetern. Sie verfügen über ein Zwischengeschoss, das privatere Bereiche bietet.
Im Gebäude von Senn werden ebenfalls verschiedene Nutzungsvarianten nachgewiesen. Diese umfassen ein Hotelgeschoss mit Zimmern um die 25 Quadratmeter sowie einige Long-stay-Apartments mit 44 und 56 Quadratmetern. Bei den Büroflächen werden sowohl Einrichtungen von kleinen Einheiten auf Basis von 25 Quadratmetern wie auch Gross- oder Kombibüroflächen aufgezeigt.
Die Gewerbe- und Verkaufsflächen im Erd- und ersten Obergeschoss beider Gebäude können grundsätzlich frei unterteilt werden. An der Zürichstrasse besteht im Gebäude von Senn die Möglichkeit einen Grossverteiler einzumieten.

Mitarbeit Wettbewerb
Frank Zierau, Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Christian Franke

Zusammenarbeit
Frank Zierau, Architekt

Bauherrschaft
Pensimo, Zürich und Senn, Zürich

Publikation
Hochparterre Wettbewerbe 5/2017