Olten
Projektwettbewerb, 2006
Städtebau und Architektur
Um der neuen Fachhochschule als wichtigem öffentlichen Gebäude von Olten eine starke Präsenz zu geben, wird eine kraftvolle und spezifische Architektur mit einer elegant-feinem, beinahe textil-schillernden Fassade vorgeschlagen. Die eigenständige, rhombenähnliche Grossform schafft eine unverwechselbare Identität für die Schule und gibt gleichzeitig diesem eher indifferenten Stadtteil ein neues Gepräge, indem es sowohl sperrig wie auch situativ (bspw. mit der Definition präziser Stadträume zur Von Rollstrasse) auf den Kontext reagiert.
Vom Bahnhof aus gesehen schiebt sich der Baukörper entlang den Gleisen bis zur Aarauerstrasse vor, verjüngt sich dabei zunehmend und schliesst mit einer schmalen, stehenden Front ab. Diese städtebauliche Geste macht schon von weitem auf den öffentlichen Bau aufmerksam und leitet in die Schule und den Stadtteil hinter den Geleisen ein.
Die spezifische Aussenform wird durch den innenräumlichen Aufbau generiert: Der gewissermassen hierarchielose, strukturell gedachte Grundplan entwickelt sich aus der Verschränkung dreier Raumschichten, die eine Serie von vier Höfen umschliessen. Dieser einfache strukturelle Aufbau ist im Gebrauch maximal nutzungsflexibel und lässt auf selbstverständliche Art in einer Erweiterung fortschreiben.
Situation und Erschliessung
Der neue, keilförmige Stadtraum an der Kreuzung Aarauerstrasse / Von Rollstrasse versteht sich als öffentlicher und urbaner Begegnungsort und bildet gleichsam den Auftakt in die räumlich reiche Innenwelt der «Denkfabrik» und Forschungsanstalt. Als aussenräumliche Entsprechung zu diesem urbanen Raum ist die offene und fein terrassierte, von Bäumen gegliederte Grünfläche im Südwestteil des Grundstücks gedacht, die der Gastronomie und Erholung dient. Der zweite Hauptzugang befindet sich zwischen diesen zwei Orten in der Verlängerung der Riggenbachstrasse. Eine querende Verbindung, welche entlang der westlichen Grundstücksgrenze und parallel zu den Geleisen durchs Areal führt, ist von Süden her bis zum Eingang für Warenlieferungen und als Personalzugang befahrbar. Dieser Weg ist leicht, bis auf die Höhe des Niveaus 1 abgesenkt, und garantiert die Entflechtung der Warentransporte von den Personenzugängen.
Nach dem Bau der ersten Etappe werden auf dem Areal insgesamt 264 gedeckte Parkplätze angeboten. Diese teilen sich wie folgt auf: 160 PP gedeckt im Neubau auf dem Niveau 0 mit der Zufahrt über eine flache Rampe ab der Aarauerstrasse; 17 PP in einem Geländesprung an der Westseite mit der Zufahrt über die Sälistrasse; und 87 PP im bestehenden Parking, neu mit Zufahrt von Süden über Sälistrasse. Beim Bau der zweiten Bauetappe würde die bestehende Parkgarage zu Gunsten eines grossen, zusammenhängenden Parkings aufgehoben.
Innenräumlicher Aufbau und Nutzungsflexibilität
Die Architektur der Fachhochschule baut sich aus einer inneren Logik auf: die Verschränkung dreier Raumschichten mit einer Tiefe von 11m (bestehend aus einer Zimmerschicht mit 8m und einer Erschliessungsschicht von 3m) in einem 30°-Winkel baut ein Volumen auf, welches nach Innen eine Serie von vier Höfen umschliesst, die für eine gleichmässige Belichtung der Grundrisse sorgen. Während bei Tag die Nord-Süd-Ausrichung der Höfe es ermöglicht, dass die Sonnen direkt bis in die untersten Geschoss scheint, und ein komplexes Licht-Schattenspiel Atmosphäre schafft, sind es bei Nacht die darin hängenden Leuchten, welche die Höfe zu leuchtenden Laternen werden lassen.
Zwei komplementäre Treppensysteme sorgen für eine optimale Erschliessung sowie einen regen Austausch zwischen den verschiedenen Fachbereichen. Dabei haben die offenen Treppen kommunikativen wie auch repräsentativen Charakter. Die geschlossenen Treppenhäuser dienen als Fluchttreppen (vgl. Brandschutz), und als direkte vertikale Erschliessungen während des täglichen Betriebs.
Die Hauptnutzungen, wie Unterrichtsräume und Gruppenräume auf den Obergeschossen sind in diesem Raumsystem konsequent gegen Osten und/oder zu den Lichthöfen angeordnet, das heisst auf der lärmabgewandten Seite. Die Arbeitsplätze von Lehrpersonen, Forschenden und Mitarbeitenden sind in direkter Beziehung zu den Unterrichtsorten ebenfalls auf den Obergeschossen organisiert und von Westen wie vom Innenhof zweiseitig belichtet. Die Studentenarbeitsplätze sind, nebst den separat ausgeschiedenen Bereichen in der Mediothek, gleichmässig über die drei Unterrichtsgeschosse in den attraktiven Randzonen der Erschliessungsräume verteilt, wo ungestörtes Arbeiten möglich ist.
Die Nutzungen wie Aula, Mediothek, Gastronomieräume und Hörsäle welche hohe Personenfrequenzen aufweisen sind im Erdgeschoss, dem Niveau 2 angeordnet und übernehmen dadurch eine wichtige Bindegliedfunktionen zwischen Öffentlichkeit und Lehranstalt.
Die skelettartige Gebäudestruktur aus Stützen und Platten mit Stützenabständen zwischen 9.20 und 9.80 m ist äusserst nutzungsneutral. Die klare Trennung von tragender und nichttragender Gebäudestruktur vereinfacht die räumliche Anpassung an neue Bedürfnisse.
Erweiterbarkeit
Die Erweiterung der Schule mit einer 2. Etappe zeigt zum einen die Möglichkeit der maximalen Verdichtung des Areals bei gleichzeitiger Steigerung der aussenräumlichen Qualitäten, und zum andern zeigt sie exemplarisch die Weiterentwicklung der modularen Baustruktur auf.
1. und 2. Etappe sollen aus räumlichen und betrieblichen Gründen zusammengebaut werden. Die daraus entstehende hierarchielose Räumlichkeit mit gleichwertiger horizontaler wie vertikaler Durchlässigkeit soll den Anforderungen einer zeitgemässen Forschungsanstalt entsprechen.
Gastronomie
Über die attraktive Lage des Gastronomiebereichs, direkt neben dem Eingang auf dem Niveau 2, können schöne Aussensitzplätze mit Ost-, Süd- und Westorientierung angeboten werden. Durch die gute Auffindbarkeit und seiner Ausstrahlung in die Umgebung wird die Gastronomie der wichtigen Bindegliedfunktion zwischen Schule und Öffentlichkeit gerecht.
Die zweigeschossige Anordnung (Gästebereich Niveau 2, Küche und Anlieferung Niveau 1) entflechtet die innerbetrieblichen Gastroabläufe vom Bistro-/Cafeteriabereich und dem Schulbetrieb und führt zu einer Attraktivitätssteigerung für die Gäste. Die Anlieferung der Küche erfolgt von Westen über das Niveau 1 resp. den Eingang 3. Hier sind die Räume für die Ver- und Entsorgung der Küche angeordnet. Die Küche, welche über einen separaten Lift und eine separate Treppe mit dem Gastrobereich verbunden ist, wird von einem Hof natürlich belichtet.
Gebäudestruktur
Im Hinblick auf die optimale Wirtschaftlichkeit und Flexibilität in der Nutzung ist das Tragwerk als Stahlbeton-Skelettbau ausgelegt: Flachdecken in schlaff armiertem Ortbeton werden von vorfabrizierten Stützen im Raster bis 9.80 m getragen. Die ebene Untersicht ohne Unterzüge und sichtbare Stützenkopfverstärkungen ergibt eine grösstmögliche nutzbare lichte Geschosshöhe und maximale Flexibilität bei der Führung der Installationen der Gebäudetechnik. Die Aula wird stützenfrei mit 15 m weit tragenden vorgespannten Stahlbetonunterzügen überspannt. Die Stabilisierung des Bauwerks gegen Horizontalkräfte aus Wind und Erdbeben erfolgt durch die duktil ausgebildeten Stahlbetonwände der vertikalen Steig- und Erschliessungzonen. Ihr Schwerpunkt ist fast zentrisch zum Gebäudegrundriss angeordnet, die Kerne laufen ohne wesentliche Steifigkeitsänderungen über alle Geschosse durch und sind in die als steife Kiste ausgebildeten Untergeschosse eingespannt. Dies ergibt ein grundsätzlich gutmütiges Verhalten bei Erdbeben.
Die beiden Gebäudeetappen werden statisch unabhängig ausgebildet und sind durch eine Fuge getrennt, jede Etappe für sich wird aber fugenlos erstellt. Das zweite Untergeschoss kommt ins Grundwasser zu liegen, es wird deshalb in Sperrbeton als weisse Wanne ausgebildet.
Konstruktion und Materialisierung
Das Konstruktions- und Materialkonzept beruht auf einer hierarchischen Baustruktur um auf spätere bauliche Veränderungen und Anpassungen sowie den unterschiedlichen Lebenszyklen der Materialien reagieren zu können.
Die Primärstruktur wird in konventioneller und kostenoptimierter Massivbauweise (Decken und Aussteifungskerne in Recyclingbeton, die Schleuderbetonstützen sind vorfabriziert) erstellt.
Die repetitive und nichttragende Fassade als Sekundärstruktur, welche Aussen wie zu den Lichthöfen identisch behandelt ist, baut sich auf dem Raster von 2.5m auf. Dem Prinzip der Nutzungsflexibilität entsprechend stimmt dieses Rastermass mit den Modulmassen der Unterrichtsräume überein und ermöglicht somit einen einfachen Fassadenanschluss der inneren Trennwände. Jedes Fassadenelement besteht aus einem festverglasten Element, einem Lüftungsflügel und dem aussenliegenden, aluminium-bedampften textilen Sonnenschutz. In der Westfassade sind aus lärmschutztechnischen Erfordernissen die Lüftungsflügel durch Festverglasungen ersetzt. Vertikale Dreikantprofile als Lisenen und dazwischen gespannte, abgewinkelte Abdeckungen, beides mit weiss eloxiertem Aluminiumblechen verkleidet, verleihen der an sich materialoptimierten Fassade eine fein-schillernde und textile Wirkung.
Die Sekundärstruktur im Innern ist konsequent von der tragenden Struktur getrennt; die Innenwände und die Hohlbodenkonstruktion können jederzeit den sich ändernden Raumbedürfnissen angepasst werden, da sie in Trockenbauweise erstellt werden.
Ökologie und Minergie
Um dem Grundsatz der Nachhaltigkeit und der ökologischen Bauweise zu entsprechen werden konsequent recyclierbare Baumaterialien, wo möglich auf natürlicher resp. mineralischer Basis, eingesetzt und eine hohe Bauteillebensdauer erreichen. Eine lange Gebrauchsdauer der Gebäudestruktur wird vor allem durch die hohe Flexibilität des Gebäudekonzeptes erreicht.
Der Minergiestandard (gewichtete Energiekennzahl) wird mit dem gewählten Gebäudekonzept um 30% unterschritten. Dies wird durch die folgenden Punkte erreicht: 1. kompaktes Gebäudevolumen: gutes Verhältnis von Energiebezugsfläche zu Hüllfläche (A/EBF = 0.8). 2. die sehr gut gedämmt Gebäudehülle: U-Wert Fassade: ≤ 1 W/m2K (Mittelwert), U-Wert Dach: 0.15 W/m2K, aussenliegende Storen gewährleisten optimalen Schutz vor unerwünschter Überhitzung durch die Sonneneinstrahlung. 3. die effiziente Verwendung erneuerbarer Energien: Grundwasser Wärmepumpe mit hoher Jahresarbeitszahl; Wärmrückgewinnung aus Abluft und aus der Abwärme der gewerblichen Kälte (Küche). 4. Ausnutzung des Tageslichts: Durch die schmale Bautiefe von 11m (inkl. Erschliessungsgang) sind sämtliche Nutzräume optimal zu den Fassaden und somit zum Tageslicht ausgerichtet.Durch den hohen Anteil an natürlicher Belichtung, ist der Energiebedarf für Beleuchtung tief und wird zudem mit verlustarmen Betriebsgeräten und energieeffizienten Leuchtmitteln ausgeführt.
Energieversorgung / Haustechnik
Das Haustechnikkonzept ist auf eine hohe Nutzungsflexibilität ausgelegt. Die Wärmeerzeugung erfolgt mit einer Grundwasser-Wärmepumpe. Dadurch wird eine hohe Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe erzielt. Überschüssige Raumabwärme (freie Kühlung im Sommer) sowie die Abwärme der gewerblichen Kälte wird für die Warmwassererzeugung genutzt.
Die Raumheizung und -kühlung erfolgt über Kühlsegel. Durch die große Strahlungsfläche und die gleichmäßige Temperaturverteilung wird ein hohes Maß an Komfort erreicht und eine sehr energieeffiziente Betriebsweise ermöglicht. Auf abgehängte Decken wird verzichtet da es möglich ist, Beleuchtung, Raumakustik, Sprinkler (nur in den Erschliessungszonen), Rauchmelder, Lautsprecher mit den Kühlsegeln gemeinsam in einer architektonisch überzeugenden Art und Weise zu kombinieren.
Das Gebäude wird mit einer Lüftung mit Wärmerückgewinnung ausgerüstet. Diese dient der Sicherstellung des thermischen Komforts, des Schallschutzes und der Luftqualität. Die Frischluft wird in den Lichthöfen gefasst, erwärmt (Wärmerückgewinnung) und über die Steigzonen sowie den Hohlboden in die Räume verteilt.
Lärmschutzkonzept
Als räumlich-architektonische Reaktion auf die Lärmemmissionen der Eisenbahn ist ein Grundrisslayout, mit der Gangschicht gegen Westen und der Zimmerschicht gegen Osten resp. zu den Innenhöfen, entwickelt worden.
Mit dem Einsatz einer schalldämmenden Festverglasung (Rw ≥ 40 dB) gegen Westen werden die heute gemessenen dB-Wert um 37 dB auf 30-35 dB reduziert. Dies erlaubt die partielle Anordnung der Dozentenarbeitsbereich und Studentenarbeitsplätzen gegen Westen. Die schallmässig sensiblen Unterrichts- und Gruppenräume sind einerseits durch die konsequente Orientierung zu den Höfen (resp. nach Osten) und andererseits durch den Erschliessungsgang von den Immissionen der Eisenbahn abgeschirmt.
Brandschutzkonzept
Zugunsten einer räumlich offenen, grosszügigen Erschliessung, wird auf eine konventionelle Brandabschnittbildung verzichtet, was eine Ausstattung der Erschliessungzonen mit einer Sprinkleranlage erforderlich macht (VKF Norm, Atriumsregel). Gemäss dieser VKF-Norm erfordert die Summe der offen verbundenen Geschossflächen keine Sprinklerung der Nutzräume. In den Bereichen, wo Grossraumbüros (Lehrkräfte) eingebaut werden können, ist die Sprinklerung abstellbar.
Für die Entfluchtung sind fünf geschlossene Treppenanlagen, die im regulären Betrieb gleichzeitig als direkte vertikale Verbindungen funktionieren, so im Grundriss angeordnet, dass sie dem Fluchtwegflächen- und -längenbestimmungen der VKF entsprechen.
Die Grossräume wie Aula, Hörsäle und der Gastrobereich im Erdgeschoss verfügen über zusätzliche Fluchtausgänge welche direkt ins Freie führen.
Mitarbeit Wettbewerb
Monika Kilga, Stephan Popp, Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Michael Jansen
Zusammenarbeit
KilgaPopp Architekten, Winterthur
Bauherrschaft
Kanton Solothurn, Kantonales Hochbauamt, Solothurn
Ingenieur, Energie- und Haustechnikkonzept, Bauphysik: Basler & Hofmann AG, Zürich