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Neuer Standort Automotive Rehau
Bayreuth, Deutschland
Projektwettbewerb, 2017, 2. Preis

Idee: Rehau-Park
Die wesentliche Qualität des Areals besteht in seinem parkartigen Charakter mit einem alten, prächtigen Baumbestand. Die vom Nordring und der Cottenbacher Straße umfasste Hügelkuppe, auf der die repräsentative, symmetrisch orientierte Anlage der ehemaligen Kreisirrenanstalt von 1870 sitzt, bildet gleichsam eine grüne Insel im städtischen Gefüge. Mit dem Bau des begrünten Schallschutzdammes wurde der Inselcharakter der Situation verstärkt. Am Fuss der Kuppe wurden über die Zeit verschiedene öffentliche und private Bauten erstellt, welche den Hügel in offener, campusartiger Weise baulich fassen.
Die städtebauliche Setzung des Neubaus für den neuen Standort Bayreuth verfolgt eine Strategie mit drei Zielen. Zunächst wird mit der Stellung im westlichen Teil des Grundstückes eine direkte Anbindung an die (motorisierte) Erschliessung geschaffen. Die bestehenden Parkplätze des Areals können auf selbstverständliche Weise für Rehau erweitert werden und für den Zugang zum Gebäude muss nicht erst ein Parkabschnitt durchquert werden. Zweitens reiht sich der Neubau mit seiner Lage zur Topografie und seiner Grundform – bestehend aus raumgreifenden Gebäudearmen – in die jüngere Bebauung am Hangfuss ein. Er trägt damit zur baulichen Fassung und topografischen Auszeichnung der Hügelkuppe bei.
Drittens, und darin besteht die Kernidee des Entwurfs, wird mit der Stellung des Neubaus ein Park geschaffen, der sowohl für die Mitarbeiter wie für die Öffentlichkeit einen Mehrwert darstellt. Die heute brachliegende Grünfläche wird über die Fassung des Neubaus, eine Weganlage, ergänzende Pflanzungen und die Öffnung des Dammes an der Cottenbacher Straße in eine öffentlich zugängliche Parkanlage transformiert. Die gewünschte Sichtbarkeit der Rehau Automotive wird damit weniger über die Präsenz des Neubaus im Strassenraum als vielmehr über die Schaffung eines unverwechselbaren Ortes erzielt, der sich in den Köpfen der Bayreuther Bevölkerung etabliert. Der Rehau-Park soll fester Bestandteil des städtischen Gefüges werden und ähnlich den Anlagen des Festspielhauses, des Neuen Schlosses sowie der Ermitage die Stadt um einen weiteren Parkraum bereichern. Selbstverständlich verbleibt der Park im Privatbesitz der Rehau und dient als Landreserve für die zukünftige Expansion des Standortes.

Gebäude, Nutzung und Betrieb
Das Gebäude ist als horizontal wie vertikal offene und damit flexible Struktur entworfen. Der Haupteingang befindet sich einfach auffindbar in der bergseitigen Gebäudekehle. Das Zugangsgeschoss liegt über dem Rehau-Park, sodass sich beim Eintritt unmittelbar ein Blick über den Park öffnet und das Geschoss zum Park hin als eine Art Piano nobile ausgezeichnet wird. Hier und auf dem darunterliegenden, in der Vertikalen räumlich verbundenen Parkgeschoss befinden sich mit dem Restaurant, dem Showroom sowie dem Auditorium die gemeinschaftlichen und öffentlichen Funktionen. Von der Lobby des Auditoriums wie auch dem Restaurant bestehen Zugänge zum Park. Die Werkstatt reicht über zwei Geschosse. Die Anlieferung erfolgt direkt von Aussen über einen unteren Eingang (für das Restaurant erfolgt die Anlieferung an der nordöstlichen Ecke). Von der Lobby besteht ein Einblick in den Luftraum der Werkstatt, welcher den Raum als ein Herzstück der Forschungs- und Entwicklungseinrichtung auszeichnet.
Über dem Erdgeschoss folgen vier Geschosse, die hauptsächlich für die Büronutzung vorgesehen sind. Das Gebäude schöpft damit die zulässigen 21 Meter Gebäudehöhe zum Park respektive zum Nordring hin aus. Aufgrund der Skelettbauweise sind die vier Geschosse offen und flexibel für unterschiedlich grosse Teams und Abteilungen zu organisieren. Im Grundriss jeweils zueinander versetzte, zweigeschossige Bereiche schaffen eine primäre Zonierung der Flächen in übersichtliche Raumbereiche und verknüpfen die Geschosse räumlich in der Vertikalen. Eine sekundäre Gliederung erfolgt über innenliegende, verglaste Sitzungs- und Nebenräume. Die zweigeschossigen Räume dienen als Workshops, Wohnzimmer oder Bibliothek der Kommunikation zwischen den Teams und Abteilungen über die Geschosse hinweg. Offene Treppen in den kleinen Atrien beschreiben unterschiedliche Wege durch das Gebäude, welche die Begegnung und den Austausch fördern. Das Projekt verfolgt damit eine progressive Interpretation der Strategie «Neue Arbeitswelten».
Über die obersten zwei Geschosse erstreckt sich ein zweiter Typ von Atrium-Raum, in Form von drei Indoor greens. Im obersten Geschoss sind schliesslich neben den Büroräumen fünf Apartments, der Fitnessbereich, die Company bar sowie der Playroom untergebracht, welche einen Blick über den Park und die Stadt anbieten. Eine Espressobar am Parkeingang an der Cottenbacher Straße stünde den Mitarbeitern gleichermassen wie der städtischen Öffentlichkeit zur Verfügung. Sie könnte durch einen unabhängigen Dritten betrieben werden.
Das Gebäude verfügt über insgesamt vier Erschliessungskerne, welche die Entfluchtung und Aussteifung des Gebäudes sicherstellen. Die vertikale Haupterschliessung erfolgt in der hangseitigen Gebäudekehle unmittelbar beim Eingang und an zentraler Lage in den Obergeschossen. Damit resultieren kurze Wege von den Aufzügen zu den Arbeitsplätzen.

Fassade und architektonischer Ausdruck
Der Skelettbau wird von einer Glasfassade, einer nichttragenden curtain wall, umspannt. Auf der Ost-, Süd- und Westseite wird der Glasfassade eine zusätzliche Glashaut vorgehängt. Die Doppelfassade übernimmt an diesen Expositionen verschiedene Funktionen. Sie dient einerseits dem Lärmschutz zum Nordring, andererseits wird über einen zwischenliegenden und damit geschützten Sonnenschutz der Wärmeeintrag ins Gebäude reguliert. Schliesslich bestimmt die äussere Glashaut den architektonischen Ausdruck und die Erscheinung des Neubaus zum Park und Nordring hin. Auf der Seite des Rehau-Parks sind die rahmenlos gehaltenen, grossformatigen und leicht verspiegelten Gläser leicht zueinander gekippt, sodass der Park eine gebrochene Spiegelung erhält. Der Park setzt sich damit einerseits im Gebäude fort und erhält gleichzeitig seine wichtige räumliche Fassung im Westen.

Mitarbeit Wettbewerb
Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Rabea Kalbermatten, Sébastien Ressnig

Bauherrschaft
Rehau, Unlimited Polymer Solutions