Ausschnitt Grundrissskizze Wohnungsbau Steinwies-/Irisstrasse, Zürich-Hottingen
English Translation: Model and Image
PUBLIKATION TRANS19
MODELL UND BILD
SEPTEMBER 2011
Dieser Essay ist ein erster Versuch, unsere Entwurfsverfahren zu reflektieren. Er thematisiert das Verhältnis von Entwurf und Theorie in Bezug auf die architektonische Form. Dabei gehen wir von der Überzeugung aus, dass Architektur immer «Form» und diese stets das Resultat kompositorischer Operationen ist.[1] Ziel des Textes ist es, die Struktur dieser Operationen anhand eines ausgesuchten Entwurfs aus unserem Büro und vor dem Hintergrund unserer theoretischen Arbeit zu analysieren.
Die offene Form und das Malerische
Bei den theoretischen Grundlagen zu diesem Versuch greifen wir zwei Arbeiten heraus, die sich für den Entwurf als bedeutsam erwiesen haben. Es sind dies unsere beiden Pamphlete «Bomarzo. Beobachtungen anhand einer neuen Karte»[2] sowie «Picturesque – Synthese im Bildhaften».[3] Beide Arbeiten befassen sich bezeichnenderweise nicht unmittelbar mit architektonischen Themen, sondern beginnen bei der Natur und der Landschaft. Sie fragen nach dem Verhältnis von Landschaft und Architektur oder allgemeiner: dem Verhältnis von Natur- und Kunstform. Die Untersuchungen loten einerseits die Grenzen des Architektonischen aus, indem die Naturform sowie deren zeitliche Aspekte hinsichtlich ihrer architektonischen Potentiale befragt werden. Andererseits werden Verfahren dargestellt, welche für die Komposition architektonischer Form Methoden der Landschafts- und Bildgestaltung adaptieren.
Für beide Arbeiten sind zwei sich überschneidende Begriffe von Bedeutung. Erstens: Die Offene Form. Damit ist eine Form gemeint, die vielschichtig, vielteilig, unrein, unscharf, impräzis, anti-klassisch, anti-typologisch, informell, nicht kausal, fragmentiert, semantisch schwach determiniert respektive mehrdeutig und bisweilen hässlich sein kann. Diese Eigenschaften machen die Offene Form unbestimmt und infinit. Wie die Naturform, aufgrund von Wachstum und Verfall geprägt durch steten Wandel, zeichnet sie sich durch einen «instabilen» Zustand aus. Sie thematisiert die Zeit und damit die Bewegung. Analog der barocken Form stellt sie tradierte Ordnungen – beispielsweise eine «korrekte» Tektonik – in Frage.[4] Im Sinne Ecos ist die Offene Form bedeutungsarm, dafür aber informativ. Sie beschreibt eine «[…] Zone der Ungewissheit, wo Mögliches und Wirkliches sich berühren… [Sicherheit besteht einzig darin], dass die Dinge auch anders sein könnten.»[5] Das architektonisch emblematischste Beispiel der Offenen Form ist die Ruine, wobei für uns deren strukturelle Eigenschaften über dem romantischen Gehalt stehen.
Zweitens: Das Malerische. Damit ist die Kraft wie auch ein Verfahren gemeint, in der Offenen Form auf synthetische Weise eine – wenn auch nur «weiche» – Ordnung herzustellen. Mit «Weichheit» sind summarisch Eigenschaften angedeutet, welche bereits für die Offene Form beschrieben wurden. Das Malerische (The Picturesque) wurde im 18. Jahrhundert in England konzeptualisiert und schuf zwischen oder neben dem Erhabenen und Schönen[6] eine dritte, wertfreie Kategorie für all jene Phänomene, die zwar als schön empfunden wurden, sich aber vernunftmässig nicht beschreiben liessen[7] – vereinfacht gesagt wurde damit das Irrationale in die ästhetische Theorie integriert und die klassischen Ideale der Ganzheit, Reinheit, Harmonie und Symmetrie in Frage gestellt. Trotz der scharfen Abgrenzungen durch seine frühen Verfechter darf man das Picturesque aber nicht als Gegenentwurf zu einem klassischen Schönheitsideal[8] verstehen: Vielmehr wurde eine Art «Kitt» geschaffen, der Widersprüchliches, Unfertiges und Fragmentarisches mit Reinem und Klassischem auf selbstverständliche, dialektisch-offene Art verbindet; darin zeigt sich die «synthetische» Kraft des Picturesque. Es ist zudem eine Ordnung, die sich im «Bild» respektive der Anschauung einstellt und damit im ursprünglich-eigentlichen Sinn kompositorischen Charakter besitzt. Ob die malerische Ordnung dem Objekt inhärent ist (Painters eye) oder sich erst beim Rezipienten einstellt (Poets feeling), haben bereits die ersten Theoretiker des Picturesque diskutiert.[9]
Malerische Kompositionsverfahren verfügen über Verwandtschaften zu Montage- und Collagetechniken. Zwar werden in der Montage «einzelne Bild- oder Materialteile zu einem kompositorischen Ganzen»[10] zusammengesetzt, gleichzeitig werden aber die Grenzen zwischen den Elementen nicht aufgehoben, sondern zunächst als solche artikuliert. Die montierten Elemente erhalten im neuen Ganzen eine ebenso neue Bedeutung, tragen aber gleichzeitig ihre ursprüngliche Aussage mit – die Montage weist damit eine offene, multiple Form auf. Das Resultat ist zudem keine, einer hierarchischen Ordnung folgende Verschmelzung, sondern eine «Synthese im Bildhaften», welche nicht bloss «auf der Summierung der Komponenten beruht, sondern auf der wechselseitigen Durchdringung und Beeinflussung».[11] Die bild-kompositorischen oder eben malerischen Kräfte sorgen für den neuen Sinnzusammenhang.
Imagination und Kontext
Die Spiegelung und Befragung des eigenen Entwurfs an den umrissenen theoretischen Grundzügen gestaltet sich erwartungsgemäss schwierig. Gerade vor dem skizzierten Hintergrund kann eine solche Gegenüberstellung nicht ein mechanisch-kausales Verhältnis zwischen Entwurf und Theorie zeigen, sondern lediglich eine Art Resonanzverhältnis (Marcel Meili) beschreiben. Evident wird dieses Verhältnis durch die Tatsache, dass hier architektonische Form und Denkform – zwei gänzlich unterschiedliche Kategorien – in Beziehung treten respektive die eine für die andere Voraussetzung und Gefäss bildet.
Die Denkform hat in unserem Fall weitgehend strukturellen Charakter: Wir versuchen beim Entwurf ausgehend vom Kontext und dem gestellten Programm ein gedankliches Modell zu entwickeln, das wir iterativ dazu in architektonische Form übersetzen. Wissenschaftstheoretisch handelt es sich um fiktive Modelle, da sie nicht ein Abbild der Wirklichkeit darstellen, nach dem etwas realisiert wird (deskriptiv), sondern in der Imagination entstehen und erst so – beispielsweise durch einen Analogieschluss – Erkenntnisse für den Entwurf generieren (präskriptiv). Die Modellbildung ist deshalb vor allem eine heuristische Herausforderung:[12] Welches sind die richtigen Strukturen, Analogien und gegebenenfalls Bilder bezogen auf das Programm und den Kontext? – Der Kontextbezug ist dabei selten ein typologischer oder morphologischer, sondern wird allgemeiner, umfassender und abstrakter verstanden – gewissermassen als ein Feld von Suggestionen. In den meisten Fällen wird der «Kontext» sogar imaginiert und idealisiert und so selbst zu einem bestimmenden Teil des Modells (es kommt vor, dass wir uns den Ort einer Aufgabe gar nicht anschauen, sondern lediglich vorstellen…).[13]
Ein ähnliches Verfahren konnten wir bei Projekten von Alison und Peter Smithson beobachten, wo der Kontext zwar die ersten Anhaltspunkte bietet, diese allerdings weniger auf eine unmittelbare städtebauliche und architektonische Formfindung als vielmehr eine modell- oder bildhafte Vorstellung über eben diesen Kontext zielen: Damit wird dem realen, «äusseren» Kontext ein imaginärer, «innerer Kontext», eine Idee vom Ort überblendet. Der reale Kontext erhält erst über die Architektur seine eigentliche, zumindest eindeutigere Prägung: «It would seem as if a building today is only interesting if it is more than itself; if it charges the space around it with connective possibilities.»[14] Der umgebende Raum wird mit «verbindenden Möglichkeiten aufgeladen», die Imagination formt den realen Kontext.
Im Falle unseres Projektes für ein Wohnhaus in Zürich-Hottingen[15] hat die städtebauliche Lektüre gezeigt, dass die grosse Homogenität des Quartiers weniger einer durchgehenden Bebauungsstruktur geschuldet ist, als vielmehr der Qualität der Freiräume. Prägend für das Quartier sind die Strassenräume, Gärten und teilweise alten Baumbestände. Die Bauten hingegen umfassen sowohl einzelne Villen, solitäre Mehrfamilienhäuser als auch grossmassstäbliche öffentliche Bauten – es lag deshalb nahe, das Projekt einer eindeutigen typologischen und stilistischen Zuordnung zu entziehen. Die Verankerung im Kontext wird in einer den spezifischen Anforderungen des Grundstücks verpflichteten Volumetrie sowie einer atmosphärischen Affinität zum Ort gesucht. Das Volumen besetzt weder eine Strassenflucht (aufgrund des geschützten Baumbestands nicht möglich) noch die Parkmitte (wie die typologisch anders gearteten Villen), sondern verspannt sich mehrdimensional im Grundstück und erzeugt von keiner Seite klassische Repräsentationsräume. Es wird die Nähe zu den bestehenden Bäumen an den Flanken des Grundstücks gesucht, die zu einem bestimmenden Teil der Architektur werden. Die Imagination zielte also weniger auf gebaute als auf ungebaute Strukturen.
Modell und Sprache
Der Charakter und die Beschaffenheit des Modells sind jeweils von Projekt zu Projekt verschieden. Einmal ist eine einzige Idee bestimmend, ein anderes Mal verdichten sich mehrere Themen und treten gleichwertig nebeneinander – auch das ein malerisches Verfahren. Beim Projekt in Hottingen werden bereits auf städtebaulicher Ebene mehrere Themen aktiv. Neben dem zu planenden Wohnhaus umfasst die Aufgabe die Sanierung einer kleinen Villa; zudem bestand in der nordöstlichen Parzellenecke an der Pestalozzistrasse die Möglichkeit für einen zweiten, allerdings sehr viel kleineren Neubau. In ihrer Unterschiedlichkeit beschreiben sie im Sinne eines collageartiges Abbildes der Stadtstruktur ein Möglichkeitsfeld: Die strassenbezogene Villa steht in Beziehung zu einem kleinen, «protomodernen» Atelierhaus (so haben wir die eingeschränkte Situation an der Pestalozzistrasse interpretiert) sowie einem grösseren Mehrfamilienhaus im Innern des baumbestandenen Grundstücks zwischen Steinwies- und Irisstrasse.
Wie angedeutet verneint der grosse Neubau eine formale Bezugnahme zu den stereometrisch einfachen, klassisch aufgebauten Gebäudekörpern der Umgebung und sucht die Nähe zum dominanten Baumbestand der Anlage. Unser Interesse bei der Formsuche zielte deshalb zunächst auf Naturformen und Ruinen, jener architektonischen Form, die den Naturformen am nächsten steht. Wir haben unter anderem Fotografien von Gesteinsbildungen, im speziellen Basaltformationen herangezogen, die wir auf ihre Strukturmerkmale hin untersuchten: Basaltformationen sind vertikal gerichtete Strukturen aus dicht aneinanderstehenden, unterschiedlich langen «Gesteinssäulen» mit meist hexagonaler Querschnittgeometrie. Die geometrische Reinheit erzeugt einen beinahe «architektonischen» Ausdruck und die Vertikalität solcher Strukturen schien uns im Zusammenhang mit den kräftigen Stämmen des Baumbestands interessant. Zudem sind solche Formationen in Bezug auf die Ausformulierung des Attikageschosses (es besteht die Regelbauweise) vielversprechend: Man ist versucht, dieses Geschoss nicht als Dachgeschoss abzusetzen, sondern in den Gebäudekörper einzubinden. Wir stellten uns die Erscheinung der Attika darum als ein erosives Moment der Gesamtform vor, womit auch die imaginierte Nähe zur Ruine angesprochen ist. Wie die hier skizzierte Darstellung versucht zu zeigen, hatte das dem Entwurf zugrunde liegende Modell den Charakter einer Strukturanalogie – nicht eine bestimmte formale Komponente stand im Vordergrund, sondern gewisse Strukturmerkmale.
Entscheidend bei der Modellbildung ist im Weiteren die Sprache. Sie funktioniert einerseits als Operator oder Katalysator, gleichzeitig aber auch als Kontrollinstrument. Die sprachliche Fassung respektive Benennbarkeit eines Modells gibt Aufschluss über dessen Beschaffenheit, Schlüssigkeit, Unschärfe oder Bedeutung, wobei die qualitative Beurteilung zunächst unabhängig und unbedeutend davon bleibt. Die Form dieser sprachlichen Fassung besitzt dabei vielfach den Charakter einer kognitiven Metapher, wobei Modell und Metapher praktisch gleichbedeutend werden. Denn Metaphern machen das Modell erst anschaulich: Ihre katalytische Wirkung beziehen sie aus einem «Vergleich zwischen zwei Ereignissen, welche nicht gleich sind, aber in einer anschaulichen Art miteinander verglichen werden können. Der Vergleich wird meist durch einen schöpferischen Gedanken gefunden, der unterschiedliche Objekte miteinander verbindet und ein neues Bild erfindet, in welches die Charakteristiken beider einfliessen.»[16] Dieser intellektuelle Prozess kann wiederum als malerisch bezeichnet werden.
Übersetzungsprozess und architektonische Form
Der Übersetzungsprozess vom Modell zur architektonischen Form ist wie angedeutet diffus und nicht kausal. Diese Diffusität ist Voraussetzung für den iterativen Charakter des Vorgehens. Modell und Form befinden sich während des Entwurfsprozesses in stetem, gegenseitig beeinflusstem Wandel. Idealerweise emanzipiert sich an einem bestimmten, möglichst frühen Zeitpunkt die Form vom Modell und entwickelt ein «Eigenleben» – das Modell kann aber durchaus zur weiteren Überprüfung hilfreich sein. Die Autonomie der Form ist aus zwei Gründen bedeutsam.
Erstens, damit das formale Resultat nicht zu direkt, quasi im Sinne einer Deduktion vom Modell geprägt wird. Die Autonomie der Form garantiert also ihre architektonische «Sprachlichkeit», indem unbewusst tradierte, disziplin-immanente Formgesetze wirksam werden. Zweitens, weil die Form nur so – und insbesondere wenn sie einen wie beschrieben, offenen Charakter besitzt – im Bildhaft-Malerischen ihre Ordnung, Ausdruckskraft und Gestalt findet.
Beim Entwurf für das Wohnhaus in Hottingen war das gedankliche Modell der «Gesteinsformation» (natürlich nebst anderen Assoziationen) bis hin zur Grundrissentwicklung präsent und sorgte für eine Kohärenz zwischen Städtebau, architektonischem Ausdruck und Grundriss. Die Wohnungsgrundrisse folgen analog der Gestaltung des Baukörpers einer weichen, situativ bestimmten geometrischen Grammatik. Sie ist inhaltlich praktisch gleichbeutend mit den oben beschriebenen malerischen Kräften: Sie sind es, welche für den inneren Zusammenhalt und die räumliche Ausgewogenheit der Grundrisse sorgen. Es sind fein austarierte Kräfte, die in einer langsamen, tastenden Bewegung gefunden werden. Handwerklich findet diese Bewegung ihre Entsprechung in der Skizze. Eine grosse Herausforderung bestand denn auch in der Übertragung der Skizzen in eine Computerzeichnung, da der Plan der malerischen Komposition eigentlich widerspricht. Wölfflin schreibt bezogen auf den «malerischen Stil» des Barock: «Den unmittelbarsten Ausdruck der künstlerischen Intention findet man in den Skizzen. […] Der zeichnerische Stil [Renaissance] bedient sich der Feder oder des harten Stiftes, der malerische gebraucht die Kohle, den weichen Röthel oder gar den breiten Tuschpinsel. Dort ist Alles Linie, Alles begrenzt und scharf umrissen, der Hauptausdruck liegt im Kontour; hier Massen, breit, schwimmend, die Kontour nur flüchtig angedeutet, mit unsicheren, wiederholten Strichen oder ganz fehlend.»[17]
Es waren zahlreiche Arbeitsschritte des Überzeichnens notwendig, um die finale Form anzunähern, die aber auch wiederum nur eine mögliche Kondition beschreibt, wie eine erste Projektüberarbeitung zeigte. Typologisch oszillieren die Grundrisse zwischen «Figur und Kammer». Die offene Raumfigur mit Wohn-, Ess- und Kochbereich kann als Auflösung einer Kabinettstruktur verstanden werden, die sich als gemeinschaftlicher Wohnraum von den zellulären Raumkammern der individuellen Zimmer abgrenzt. In der fliessenden Raumfigur des Wohnens ist ein Wegthema angelegt, das eine Bewegung von Innen nach Aussen beschreibt, die an den stirnseitig angeordneten Kaminen einen Abschluss findet. Die vier Wohnungen auf einem Geschoss sind jeweils in ihrer Höhenlage leicht zueinander versetzt, was aufgrund der Vertikalerschliessung mit direktem Wohnungszugang aus dem Fahrstuhl möglich wird und die Plastizität und Vertikalität des Gebäudekörpers stärkt.
Traumsprache?
In unseren Entwürfen suchen wir oft nach einer narrativen und prägnanten Ausdruckskraft, die wir auch schon als «Stillen Expressionismus» bezeichnet haben. Begriffe wie Stimmung und Atmosphäre, die zweifellos von Bedeutung sind, versuchen wir allerdings zu vermeiden. Es geht uns dabei selbstredend nicht um eine sogenannte konzeptionelle Reinheit, sondern eine inhaltliche und thematische Anreicherung, die bis zum jenem Punkt gehen kann, an dem die architektonische Kohärenz eines Projektes zu zerreissen droht. So erinnert das «Blätterkleid» aus dunkelgrünen Keramik beim Projekt in Hottingen zwar an das bewegte Laub der Bäume, gleichzeitig ist diese Art der Bekleidung abstarkt, materialbetont und kontrapunktiert die mit der Tageszeit ändernden Reflexionen und Farbnuancen die relative Massigkeit und Schwere des Baukörpers.
Wichtig erscheint uns abschliessend die Feststellung, dass Narration, Ausdrucksstärke und nicht einmal die Gestalt im Widerspruch zur Offenen Form stehen müssen. Wie im englischen Landschaftsgarten oder in einer Montage können die einzelnen Elemente einer malerischen Komposition ihre Eigenständigkeit behalten und gleichwertig nebeneinander für sich selbst stehen. – Vielleicht sind unsere Erzählungen in einer Art Traumsprache[18] verfasst, die sich nur schwierig erschliesst, weil sie sich asynchron, taktlos und bisweilen sogar verworren ausdrückt. «Die ganze Form entsteht nacheinander in Erinnerung und Vorstellung».[19]
[1] Wir verzichten hierzu auf eine Plausibilisierung – Ungers zum Beispiel weist darauf hin, dass «die Fähigkeit zur Komposition eine der Grundvoraussetzungen geistiger Tätigkeit [ist]. […] Ohne Komposition können wir uns nicht einmal verständigen, denn auch die Sprache wird erst durch sie ermöglicht.» Oswald Mathias Ungers: «Was ist Architektur?», in: Arch plus, 2006, Nr. 179, S. 13 – 19
[2]Elli Mosayebi, Christian Mueller Inderbitzin (2005): Bomarzo. Beobachtungen anhand einer neuen Karte, ILA und gta, Zürich
[3] Elli Mosayebi, Christian Mueller Inderbitzin (2008): Picturesque – Synthese im Bildhaften, ILA und gta, Zürich
[4] Vgl. hierzu: Heinrich Wölfflin (1986 [1888]): Renaissance und Barock, Schwabe, Basel
[5] André Berne-Joffroy, zitiert aus: Umberto Eco (1977): Das offene Kunstwerk, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, S. 166
[6] Vgl. hierzu: Edmund Burke (1810 [1757]): Philosophical Enquiry into the Sublime and Beautiful, London
[7] Uvedale Price (1810): Essays on the Picturesque, London, S. 114
[8] John Dixon Hunt in: Jane Turner (Hrsg.) (1996): The dictionary of art, Macmillan, London und Grove, New York, S. 740ff
[9] Vgl. hierzu: Mavis Batey: «The Picturesque. An Overview», in: Garden History, 1994, Nr. 22, S. 121 – 132, speziell S. 123
[10] Lexikon der Kunst. Band 8, Wolf Stadler (Hrsg.) (1990): Lexikon der Kunst, Freiburg/Basel/Wien, S. 222
[11] Heinrich Schmidt (1974): Lexikon der Philosophie, Zürich, S. 643f
[12] Forum für Fachsprachen-Forschung. Band 62, Petra Drewer (2003): Die kognitive Metapher als Werkzeug des Denkens. Zur Rolle der Analogie bei der Gewinnung und Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse, Narr, Thübingen, S. 59
[13] Vgl. hierzu: «Die Rationalisierung des Bestehenden. Oswald Mathias Ungers im Gespräch mit Rem Koolhaas und Hans Ulrich Obrist», in: Arch plus, 2006, Nr. 179, S. 6 – 11
[14] Alison Smithson, Peter Smithson (1974): Without rhetoric. An architectural aesthetic 1955-1972, MIT Press, Cambridge, S. 36
[15] Das Projekt ging aus einem Wettbewerb unter acht Büros der Branchen Versicherung Schweiz im Januar 2011 hervor. Weitere Teilnehmer: Loeliger Strub Architekten (2. Rang), Meier Hug Architekten (3. Rang), Fickert & Knapkiewicz Architekten (4. Rang), Luca Selva Architekt (5. Rang), Prof. Ueli Zbinden Architekt, Jessen + Vollenweider Architekten, Morger & Dettli Architekten (ohne Ränge)
[16] Oswald Mathias Ungers (2011): Morphologie. City Metaphors, Walther König, Köln, S. 10
[17] Heinrich Wölfflin (1986 [1888]): Renaissance und Barock, Schwabe, Basel, S. 29
[18] Vgl. hierzu das Buch «Hypnerotomachia Poliphili» (Manutius 1499)
[19] Umberto Eco (1977): Das offene Kunstwerk, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, S. 157