Wohnsiedlung Riedacker
Zürich-Schwamendingen, 2018–2023
Projektwettbewerb, 2018, 1. Preis

Stadtraum und Quartier
Der von A. H. Steiner um 1948 als Gartenstadt entworfene Stadtteil Schwamendingen besitzt noch heute seine Gültigkeit und hat viel von seinem ursprünglichen Charakter als Zürichs «Gartenzimmer» behalten. Er zeichnet sich durch Wohnquartiere mit zeilenförmigen Bauten von geringer Dichte und Höhe sowie durchlässige Aussenräume aus. Weitläufige Rasenflächen und oftmals feine Abstufungen der Nutzungsintensitäten und Öffentlichkeitsgrade prägen den Charakter des Freiraums. Infolge der anstehenden Erneuerung von grossen Baufeldern im gesamten Stadtteil stellt sich die Frage, ob und in welcher Art die bestehenden Qualitäten trotz der deutlich höheren Bebauungsdichte beibehalten werden können. Wir sind der Meinung, dass die Eigenarten des Steinerplans – der durchgrünte Stadtkörper mit offener Siedlungsstruktur – gerade heute einer zeitgemässen Wohnvorstellung entsprechen und weiterentwickelt werden können.
Die geplante Wohnüberbauung Riedacker liegt am Rande dieses noch weitgehend aus Altbauten bestehenden, homogenen Stadtkörpers. Hier treffen öffentliche Einrichtungen wie die Kirche auf Einfamilienhäuser, spätmoderne Stadtstrukturen auf neuere Fragmente, wie den quadratischen Block im Norden. Westlich des Wettbewerbsperimeters, zwischen Glattwiesenstrasse und Luchswiesenstrasse, liegt ein Gestaltungsplan über mehrere Parzellen vor. Dieser sieht mit vier- bis fünfgeschossigen Zeilenbauten eine sehr direkte Weiterführung der Bebauungsstruktur des Steinerplans vor. Da das Grundstück der Kirchengemeinde, auf welchem mittelfristig ein Ersatzneubau erstellt werden soll, die Grösse für eine Arealüberbauung nicht erreicht, werden auch auf dieser Parzelle die Neubauten die Höhe von maximal vier bis fünf Geschossen nicht übersteigen. Zusammen mit den realisierten und den sich momentan im Bau befindenden Ersatzneubauten werden somit auch in Zukunft zwischen dem Schwamendingerplatz und dem Projektperimeter Eigenschaften der steinerschen Gartenstadt den Charakter des Quartiers prägen.
Im Osten des Perimeters, entlang der Altwiesenstrasse bis hin zum Bahnhof Stettbach, verändert sich die Bebauungsstruktur zu einem heterogen bebauten Gebiet. Nebst den Einfamilienhäusern aus der Gründerzeit an der Riedackerstrasse und einzelnen, geschützten Zeilenbauten der Gartenstadt finden sich grosse Gebiete mit spätmodernen, städtebaulichen Mustern. In den letzten Jahren sind östlich des Projektperimeter bis zum Bahnhof Stettbach grossflächige, solitäre Arealüberbauungen mit zum Teil ganz unterschiedlichen Identitäten entstanden.

Baukörper und Aussenraum
Basierend auf dieser städtebaulichen Analyse knüpft der vorliegende Entwurf zwar einerseits an die inhaltlichen und räumlichen Qualitäten des Steinerplans an, sieht aber zugleich Baukörper mit einer eigenständigen figurativen Ordnung vor, die sich in der typologisch multiplen Situation zu behaupten vermögen und zu den autonomeren Arealen östlich des Perimeters überleiten.
Das Projekt bildet zwei flache, vier- und fünfgeschossige Körper aus, welche mit Vor- und Rücksprüngen ihre Längen unterspielen und sich mit dem Aussenraum verzahnen. Der viergeschossige Neubau befindet sich topografisch höher gelegen im «Innern» des Areals, das fünfgeschossige Haus reicht zur tiefer liegenden Altwiesenstrasse. Der Aussenraum zwischen den beiden Neubauten bewahrt den wertvollen Blickbezug vom Luchswiesenweg bis zur Riedackerstrasse. Über einen leichten Knick, wie man ihn bei den Zeilenbauten des Steinerplans findet, sind sie im Terrain verortet. Obwohl nach Baugesetz stellenweise deutlich höher als vier- oder fünfgeschossig gebaut werden könnte, übernimmt das Projekt die Gebäudehöhen des Steinerplans.
Die Aussenraumgestaltung knüpft an die Qualitäten der bestehenden Gartenstadtstruktur an und führt diese im Sinne eines durchgrünten, durchlässigen Siedlungskörpers weiter. Eine zusammenhängende Rasentopografie umfliesst die beiden Neubauten und verbindet sie nahtlos mit dem Kontext. Einzelne Birken und Rotföhren ergänzen als Solitärbäume den hochwertigen Baumbestand und strukturieren den Raum, ohne jedoch wichtige Sichtbezüge einzuschränken.
Auf der Nordseite verknüpft eine zusammenhängende Erschliessungsfigur die Eingänge mit der Altwiesenstrasse sowie dem Luchswiesenweg und schafft zudem eine neue Verbindung zur Riedackerstrasse. Variable Wegbreiten, Vor- und Rücksprünge sowie Belagswechsel schaffen eine abwechslungsreiche Fläche, die nicht nur als Verbindung, sondern auch als Ort dient, der offen und verschiedenartig genutzt werden kann. Kleine chaussierte Plätze und Nischen, einseitig begleitet durch niedrige Hecken, bieten flexible Spiel- und Aufenthaltsräume für alle Bewohner. Durch eine freie Wegführung sowie einzelne, präzise gesetzte Bäume wird die bedeutungsvolle Geometrie des Viertelkreises der Grundstückgrenze zur Kirchgemeindeparzelle maximal unterspielt.
Eingebettet in die durchfliessende Rasentopografie befinden sich auf der Süd- und Ostseite der Gebäude gemeinschaftliche Gärten, die den Bewohnern als frei und partizipativ gestaltbare Aussenräume zur Verfügung stehen. Die einseitig durch lineare Heckenelemente gefassten Pflanzbeete weisen einen kleinteiligen, privaten Charakter auf und sind lediglich über Gartenplatten erschlossen. Eine bewachsene Pergola aktiviert die Rückseite des benachbarten Garagengebäudes und schafft einen gemeinschaftlichen, lauschigen Gartensitzplatz.

Häuser und Wohnungen
Die vorgeschlagene Wohnungstypologie wird durch das zentrale Raumgefüge von Wohnzimmer, Küche und eingezogenem Balkon bestimmt, das sich auf einer quadratischen Grundfläche entwickelt. Mit einer durchgehenden Verglasung zwischen Innen- und Aussenraum, welche als Oberlichtband zwischen Küche und Wohnen weitergeführt wird, entsteht ein heller, durchlässiger Raum, bei dem die Küche zwar abschliessbar ist, aber räumlich in den Wohn- und Essbereich eingebunden bleibt. Diese Situation, mit einer ausgeprägten Verschränkung von Innen- und Aussenraum, erinnert in ihrer Leichtigkeit an eine Gartenlaube oder bestimmte Atelierhäuser. Damit wird nach einer hohen Kohärenz zwischen Wohnform und volumetrisch-städtebaulicher Konzeption im gartenstädtischen Kontext gesucht – ein gartenverbundenes Wohnen.
Die Wohnungen befinden sich aufgrund der leicht abfallenden Topographie auf der Zugangsseite der Häuser im Hochparterre. Auf der Ost- und Südseite verfügen die Erdgeschosswohnungen über einen ebenerdigen Gartenausgang. Die über Eck geöffneten Balkone bieten allen Wohnungen einen grosszügigen privaten Aussenraum, der im Erdgeschoss über einen Tritt direkt in den Grünraum führt.
Die zwei bzw. drei Hauszugänge befinden sich jeweils west- resp. nordseitig an den Enden und in der Mitte der Baukörper. Von den Eingangshallen, mit einem angrenzenden Kinderwagen- und Veloabstellraum sowie einem zumietbaren Zimmer, gelangt man in die natürlich belichteten Treppenhäuser, welche jeweils drei bis vier Wohnungen pro Geschoss erschliessen.
Die Wohnungen werden über ein grosszügiges, dielenartiges Entrée betreten, von dem aus man direkt in den Wohnraum und die Schlafzimmer sowie teilweise auch noch separat in die Küche gelangt. Anstelle eines Réduits sind Wandschränke im Entrée und in den Erschliessungsräumen vorgesehen. In den grösseren Wohnungen wird ein Zimmer über das Wohnzimmer erschlossen und kann als Erweiterung des Wohnens oder als Schlafzimmer genutzt werden. Die Waschküchen befinden sich im Untergeschoss und werden über ein Fenster des Tiefparterres natürlich belichtet. Von der Tiefgarage und dem dazu angrenzenden Veloraum können alle Treppenhäuser erreicht werden.

Architektonischer Ausdruck und Materialisierung
Die niedrigen, modulierten Baukörper werden mit einem feinmaschigen Netz aus Aluminiumbändern umspannt und in den opaken Fassadenteilen mit Tafeln aus dunklen, druckimprägnierten Bretterschalungen verkleidet. Die Holzmetallfenster aus eloxierten, hellen Aluminiumrahmen bilden ein dezentes Wechselspiel zu den matt gestrichenen Tafelelementen und den dunkel spiegelnden Glasflächen. Das feine Aluminiumnetz auf dunklem Hintergrund umspannt den Baukörper und verleiht ihm die selbstverständliche Eleganz eines Hauses im Garten. Die hellen Ausstellmarkisen betonen den Blickbezug zum Garten und unterstreichen den feingliederigen und transparenten Charakter des Fassadenkleides.

> Lageplan

Mitarbeiter Wettbewerb
Peter Baumberger, Karin Stegmeier, Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Phillip Türich, Kevin Dröscher, Lou Münger, Ronan Crippa, Rabea Kalbermatten

Mitarbeit Planung und Ausführung
Peter Baumberger, Karin Stegmeier, Ron Edelaar, Elli Mosayebi, Christian Inderbitzin, Phillip Türich, Associate: Katrin Pfäffli, Projektleitung: Lou Münger, Charlotte Samtleben, Bauleitung: Daniel Sigrist, Architekten: Dominic Aeberhard, Alexander Poulikakos, Sébastien Ressnig, Praktikant*innen: Amos Mauri, Anna Oexle, Pascal Schelper, Kevin Quinlan

Zusammenarbeit
Baumberger & Stegmeier Architekten (BS+EMI Architektenpartner AG)

Bauherrschaft
Baugenossenschaft Glattal, Zürich

Landschaftsarchitekt: S2L GmbH Landschaftsarchitekten, Zürich
Ingenieur: WKP Bauingenieure AG, Zürch
Holzbauingenieur, Brandschutzplaner: Pirmin Jung Schweiz AG, Rain
HLS­-Planer: Böni Gebäudetechnik AG, Oberentfelden
Elektroplaner: Gutknecht Elektroplanung AG, Au
Bauphysiker: Raumanzug GmbH, Zürich

Publikation
Wohnen, 9/2018